The Real Ax Band


Unbeirrt von der New Wave, der Rock 'n' Roll-Wiedergeburt und der pompejanisch/teutschen Sound-Völlerei geht hierzulande ein ganzer Haufen Musiker noch seinen eigenen Weg. Zum Beispiel auch die Real Ax Band.

„Nicht stehenbleiben/ Move Your Ass In Time“ heißt die erste bei „Schneeball“ erschienene Real-Ax-Band-LP, die im letzten Sommer auf eigene Kasse im Schweizer Sunrise-Studio aufgenommen wurde. Mit dem Cover dauerte es dann noch etwas, zwischendurch mußten drei Musiker ins Krankenhaus, die unversicherte PA wurde vom Gruppen-Landsitz Hof Hirschberg geklaut. Im Dezember 77 erschien endlich die Platte – und wurde ohne Werbung gleich 2000 mal im Eigenvertrieb, bei Konzerten der befreundeten Schneeball-Gruppen und über Freundes-Freunde verkauft.

Seit genau einem Jahr gibt es die Band in ihrer jetzigen Besetzung: vier deutsche Musiker (Toffi Mache, b; Marion Klein, d; Otto Gwiasda, g; Dieter Miekautsch, p) und die dunkelhäutige Sängerin Maria Archer aus London. Schon jahrelang vorher tourten Bassist Toffi und Schlagzeuger Marion mit den verschiedensten Jazz-, Rock- und Soulbesetzungen durch deutsche Clubs, Jugendheime und Hallen und sorgten bei großen Festivals (z.B. Vlotho „Umsonst & Draußen 76,77) dafür, daß Publikum und Veranstalter die Ohren spitzten. Richtig los ging es dann, als Dieter Miekautsch und Maria Archer, beide früher bei Embryo, nach einjährigem Skandinavien- und Afrikaaufenthalt zur Gruppe kamen. Die fünf haben zusammen eine Losgeh-Musik entwickelt, bei der kompakte Arrangements von langgezogene grooves abgelöst werden; zwischendurch gibt’s easy songs, heavy funk zum tanzen/ mitmachen und ein Samba/Salsa/Feeling, für das die Afrika-Reise der beiden neuen Mitglieder bestimmt nicht unentscheidend war. Abseits von aktuellen Modeströmungen hat die Gruppe einen typischen Stil entwickelt, der Jazzrock- und Konzertfreunden schon als der Real-Ax-Sound ein Begriff geworden ist.

„Ihr spinnt!“ meinten Musiker-Kollegen der angepaßten Deutschrock-Szene sowie etliche Branchenkenner, als sie von den Plänen der Real-Ax-Musiker hörten: Sie wollten es ohne ein professionelles Management, ohne finanziellen Background eines Großkonzerns, ohne Musikverlag und ohne die sonst bei Newcomern übliche Promotion von der Pike auf schaffen, mit und von der Musik zu leben. Gesinnungsrückhalt bekam man nur bei den jahrelangen Musikerfreunden (Embryo, Missus Beastly. Checkpoint Charlie, Ton Steine Scherben, Munju) die inzwischen auch alle mehr oder weniger erfolgreich „ilir eigenes Ding“ machen und das Alternativ-Label „April“ (jetzt „Schneeball“) ins Leben riefen.

Maria streicht den Bus

Die beste Reklame sind in so einem Fall gute, erfolgreiche Konzerte, zehn bis 15 Stück im Monat. Dafür muß die Band zusammengerechnet etwa zwei Monate des Jahres im Mercedes-Bus sitzen. Daß man dann manchmal für einen 500-Mark-Gig 400 km fährt, das halten wiederum die Branchenkenner in den Büroetagen für unglaublich. Und wo steckt schon der Musiker höchstpersönlich sein fertig gepreßtes Vinyl-Produkt ins bunte Doppel-Cover?

Alles, was sonst eine Manager-Crew plus Sekretärinnen plus Mitarbeiterstab erledigt, das machen bei der Real Ax Band die Musiker selbst – with a little help from 1000 friends… Bassist Toffi kümmert sich außer ums Baßspiel um die Termine bei Veranstaltern, hält Kontakt zu allen möglichen Leuten und schmeißt zusammen mit Marion den Plattenvertrieb für Nordrhein-Westfalen. Maria und Dieter komponieren und streichen auch schon mal den Bandbus. Gitarrist Otto Gwiasda aus Bielefeld („der letzte Wolpertinger“) mußte jetzt persönlich zum Plattenpreßwerk fahren und sich eine Scheibe nach der anderen anhören, um fehlerhafte Pressungen auszusortieren.

Otto sucht Preßfehler

Alles in allem ganz schön viel Action, und aus den roten Zahlen sind die Jungs immer noch nicht raus. Immerhin mußte man sich für „Nicht stehenbleiben“ und die PA 25.000 DM bei Freunden und Gönnern zusammenpumpen. Außer bei Konzerten und in den Tourneeplänen der Zeitungen hatte lange Zeit kaum jemand etwas von Real Ax gehört oder gelesen eine Band aus dem Nichts. Inzwischen ist die LP in der zweiten Nachpressung, die Unkenrufe sind verstummt. Die LP läuft ohne kostspielige Werbung, nur durch Mundpropaganda und durch Funkredakteure, die sich freuen, endlich mal eine deutsche Produktion im Programm zu haben, die sich deutlich vom Gros deutscher Musik abhebt. Inzwischen sind auch Plattenlieferungen nach Österreich, Schweiz, Holland, Frankreich, USA und Japan gegangen. Toffie braucht bei den Veranstaltern nicht mehr um einen Job zu betteln, ab und zu ruft mal einer vom Rundfunk an, Anlage und Musik werden immer besser und, wie’s aussieht, gibt’s auch diesmal wieder einen prächtigen Festival-Sommer sowie Real Ax-Touren nach Polen, Österreich, Holland Frankreich und wahrscheinlich in die DDR.

Leider wurde den Musikern ihr abgewracktes Landhaus auf dem Hof Hirschberg gekündigt, wo zwischenzeitlich in mehreren Gebäuden bis zu 30 Freaks, Künstler und Musiker wohnen. Dort oben formiert sich zur Zeit eine neue Rock/Funk/Theater-Truppe: High Cracks, von der man noch einiges hören wird. Die Real Ax Band zog um ins „Winterquartier“ nach Sundern 3, 4902 Bad Salzuffeln, Tel. 05222/13676. Dort, bei Konzerten der Schneeball/April-Gruppen und in manchen besonderen Plattenläden kann man auch die Platte kaufen. Na, wie heißt es da doch immer so schön? Ich geh‘ meilenweit… – für gute Musik immer!