The Mountain Goats live in London


musikexpress.de-User Adam Heise über das Mountain Goats-Konzert in Londons Union Chapel, Auftritte von Emmy The Great, Alasdair Roberts und Mica P. Hinson - und einen leicht derangierten Eddie Argos.

Seit 1991 musiziert John Darnielle zusammen mit wechselnden Bassisten unter dem Namen The Mountain Goats, nächsten Februar wird er sein zwölftes Album veröffentlichen. Er hat sich eine treue Fangemeinde erspielt, die ihn zu Recht für einen der besten und doch so unterschätzten Singer/Songwriter seiner Generation halten. In Deutschland z.B. hat er es nie über den Status eines Kritikerlieblings heraus gebracht, was wohl nicht ausreicht, um auf Tournee zu kommen. So war es für mich als großen Fan mehr als günstig, dass ich mich bei einem seiner raren Englandkonzerte in London aufhielt. Die Union Chapel ist eine schöne Kirche im Norden Londons. Hier musizierte schon Björk mit dem Bronski Quartett sowie andere Größen zwischen David Byrne und Sigur Ros. An diesem Samstag vor dem zweiten Advent bietet die Konzertreihe Pineapple Folk mit dem Yuletide Gathering neben den Mountain Goats drei weitere Singer/Songwriter-Künstler: Emmy The Great, Alasdair Roberts und Mica P. Hinson. Die Kirche ist weihnachtlich geschmückt, die Stimmung von der ersten Sekunde angenehm, der ideale Ort also für eine solche Veranstaltung. Dazu ist die Akustik, anders als in einem vergleichbaren deutschen Auftrittsort, der Berliner Passionskirche, blendend klar.Die 22-jährige Londonerin Emmy The Great wird bereits im Programmheft „als Mädchen und als Songwriterin“ gepriesen. In dieser Reihenfolge, was, obwohl sie in der Tat bildhübsch ist, ihren Songs unrecht tut. Diese erinnern an den Anti-Folk einer Kimya Dawson, in den opulenteren Momenten an Aimee Mann. Zu einer Akustikgitarre trägt sie sie vor, mit einer Stimme, die ihrem Anblick ebenbürtig ist, begleitet von einer weiteren Gitarre, einer Geige, sowie einem ausgezeichneten Harmoniesänger. Ein Album hat sie noch nicht veröffentlicht, Freunde berührender Singer/Songwriter-Musik sollten ihren Namen aber unbedingt im Hinterkopf behalten.

Alasdair Roberts ist in Deutschland wohl ebenfalls wenig bekannt, wenn, dann allenfalls als Supportact und Lebensgefährte von Joanna Newsom. Sein Repertoire umfasst viele britische Folk-Traditionals, davon kann man Fan sein, man kann es aber auch manchmal etwas gleichtönig finden. Ein in sich gekehrter Solo-Auftritt, in den besten Momenten kommt mir die paradoxe Bezeichnung eines männlichen Vashti Bunyan in den Sinn und ich erfreue mich an dem äußerst fingerfertigen Gitarrenspiel.Dann steigt meine Aufregung mächtig und auch das Publikum zeigt deutlich, dass an diesem Abend der wahre Headliner nicht der noch folgende Mica P. Hinson ist. Der komplette Anti-Star John Darnielle tritt mit seinem Basissten Peter Hughes vor den Altar, eröffnet mit „Wild Sage“, dem Opener des letztjährigen Mountain Goats-Albums GET LONELY, und ich bin sofort gefangen. Sofort weiß ich, was es ist, das ich so sehr an seiner Musik schätze. Es ist seine Fähigkeit, mit den gleichen Mitteln – nur eine Akustikgitarre und ein Bass – wie all die mittelmäßigen und oftmals nicht wenig hoch gefeierten Singer/Songwriter der letzten Jahre unverwechselbar Zauberhaftes zu kreieren. Und es sind immer und immer wieder die Texte voller poetischer Schönheit und Wahrheit, wie sie vielleicht seit Leonard Cohen niemandem gelungen sind: „And some days I think I’d feel better if I tried harder / most days I know it’s not true.“ Und es wird auch sofort klar, warum viele Fans seine Konzerte für gar noch besser als die Alben halten. Darnielle ist bestens aufgelegt, ohrfeigt sich selbst in „You Or Your Memory“, erzählt Geschichten zu den Songs und im schönsten Moment des Abend tritt er während „Maybe Spround Wings“ vom Mikrofon zurück und erfüllt die Kirche nur mit seiner Stimme: „I thought of old friends / The ones who’d gone missing / Said all their names three times.“Zwischen den ruhigen, bewegenden Momenten gibt es aber auch wieder den ein oder anderen Upbeat-Song, z.B. den großartige Hit „This Year“, und für den letzten Song kündigt John Darnielle die beste Überraschung, die man sich nur vorstellen bzw. eigentlich nicht vorstellen kann, an: Betrunken hat ihm jemand ein Duett versprochen und zwar niemand anderes als Eddie Argos von Art Brut. Riesen Begeisterung und der geniale britische und der geniale amerikanische Songwriter perfomen zusammen den Mountain Goats-Song „The Best Ever Death Metal Band In Denton“. Eddie Argos kratz sich viel am Kopf, kennt nicht viel vom Text, aber den Refrain dann doch, in vollem Bewusstsein des Auftrittsort gibt es unzählige gefeierte Male „Hail satan! Hail satan tonight“. Das soll es dann nach nur dreizehn Songs auch schon gewesen sein, doch dank ewig anhaltender Standing Ovations gibt es trotz des engen Zeitplans noch eine Zugabe. Darnielle legt das erste Mal seine Gitarre beiseite, sein Jackett ebenfalls und zum Bass zeigt er zu „Houseguest“, dass er auch noch tanzen kann.Nach einem solchen Auftritt zu spielen, ist freilich schwierig. Der in Großbritannien von der Kritik gefeierte, in Deutschland weitgehend unbeachtete, auf seinem Alben beim Reinhören auch ganz interessant klingende, Amerikaner Mica P. Hinson tut aber auch nicht viel, um aus dem Schatten der Vorgänger herauszutreten. Es sind recht gleichförmige Akustiksongs, mit – natürlich im harten Vergleich – fast belanglosen Texten. Ganz schlecht ist das natürlich dennoch nicht, hier und da gefällt es etwas mehr und stören tut’s natürlich sowieso nicht, sondern passt vielmehr schön zur weihnachtlichen Atmosphäre des Abends. Und als er am Ende des Konzertes tatsächlich seiner Freundin einen Heiratsantrag macht, freut man sich natürlich schon etwas und es rundet den tollen Abend schön ab.Nichtsdestotrotz habe ich später in der Tube natürlich The Mountain Goats Songs im Ohr, aber genau so soll es ja auch sein, in der Nacht des zweiten Advents 2007, nach einem solch begeisternden Auftritt.