The Good, The Bad And The Queen – Berlin, Postbahnhof


Neulich beim Halunkentreff: Vier erstaunlich menschliche Superstars führen ihr gemeinsames Album aufund uerzücken gewaltig.

Offenbar haben Paul Simonon, Dämon Albarn, Simon Tong und Tony Allen zuletzt doch noch mal ein bisschen Zeit zum Proben gefunden. Denn verspielt wie auf der Jungfernfahrt einige Wochen zuvor in London – hat sich die Band ohne Namen (die der Einfachheit halber unter dem Namen ihres Albumprojekts gehandelt wird) beim einzigen öffentlichen Deutschland-Konzert (am Vortag gab’s in Köln eine Radio-Show) kein einziges Mal. Trotzdem merkt man den erfahrenen Musikern in Berlin den Projektcharakter von The Good, The Bad AndThe Queen an. Es fehlt der letzte Funken an sich nur aus hunderten gemeinsam gespielten Konzerten ergebender Souveränität. Geölte Maschine geht also anders, was dem Ganzen aber eine sympathische Spontanität verleiht, die bei solchen Könnern sicher nicht selbstverständlich ist.

Generell gilt: Alle, die später versuchen, das hier Geschehene unter konventionellen Maßstäben zu beurteilen, hatten eher nicht so viel Spaß. Nein, was heute passiert, ist mehr Aufführung als Konzert, mehr Jazz als Pop und Rock- inklusive Blockflöte-induzierten Schulaula-Konnotationen. Aufgeführt wird das Album des offenen Musik-Labors übrigens Song für Song exakt in der vorgegebenen Reihenfolge. Also ohne „Guns Of Brixton“ oder Anklänge von „London Calling“, wie einige Tage zuvor bei anderer Gelegenheit. Das klingt langweilig? Das ist nicht langweilig. Das Zauberwort ist Hingabe! Die ist ja bekanntermaßen auch beim Anhören des Albums vonnöten, da diese Musik ihre Geheimnisse nun mal nicht auf Anhieb preisgibt.

Der Einmarsch der glorreichen Halunken gerät unspektakulär, aber laut bejubelt. Accessoire des Abends: die (ak)modische Kopfbedeckung. Simonon trägt wie immer Hut, Albarn und die Damen vom Streichertrio bevorzugen Zylinder. Das Bühnenbild ist mit Union Jack und einem von Simonons London-Gemälden derweil ganz der Thematik des Albums gewidmet. Überhaupt: Paul Simonon. Der tatsächlich wie vor 30 Jahren mit The Clash über die Bühne torkelnde Tanzbär schiebt gewaltig, hat und macht am meisten Spaß. Feixend wird für die Fotografen posiert und dazu wuchtig mit den vier Saiten gewummert. Den zerschossenen Fender-Bass wie eine Uzi im Anschlag, empfiehlt sich der Mann zudem wie schon auf den Promofotos für eine Zweitkarriere als Mafiakiller. Dafür gibt’s bewundernde Blicke von der Cellistin und Szenenapplaus vom Rest. Simon Tong ist der – freilich wichtige! – Soldat, der er auch sonst in seinem bisherigen Mietmusikerleben stets war. Tony Allen, mit seinem Schlagzeug eingekeilt zwischen Pianoforte und der Keyboard- Burg des Gastmusikers, fällt am wenigsten auf, spielt zurückhaltend und lässt sein enormes Können nur vereinzelt wirklich aufblitzen – dann aber unter heftigen Ovationen des bunt gemischten Ü-30-Publikums.

„Today is dull and mild/On a stroppy little island/ Of mixeduppeople“: Kapellmeister Albarn hält sich nicht nur bei „Thxee Changes“ die meiste Zeit hinterm Piano versteckt. Mit süffisantem Grinsen goutiert er sichtlich das Treiben um ihn herum. Gibt den zurückhaltenden Connaisseur, überlässt die Bühne generös Simonon und lässt nur vereinzelt mittels gebieterisch anweisender Handbewegungen Autorität aufblitzen.

Es gelingt nicht alles: Bei „Green Fields“ kostet das Fehlen des spinnettartigen Zirpens im Refrain einen Gutteil der Atmosphäre, der an sich erhabene Titelsong kommt etwas stockend-brummig daher. Aber Albarn hält mit waidwunder Stimme doch meist den Laden zusammen. Das Publikum ist ohnehin wild entschlossen, die Menschen und nicht nur die Musik zu feiern. Am Ende, nachdem die Band für ein Instrumental und ein Gastspiel mit einem syrischen Rapper noch mal zurückgekommen ist, sind jene, die es nicht bereuen, das Konzert der zeitgleich stattfindenden Berlinale-Eröffnung vorgezogen zu haben, klar in der Mehrheit. Und auch wenn das jetzt Gossip ist: So kurz nach der Entbindung hätte Heike Makatsch sich sicher nicht für jeden frei genommen. >»www.thegoodthebadandthequeen.com