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„Die Einkreisung“ auf Netflix: Daniel Brühl ist nur ein schlechter Sherlock


Theoretisch hochspannendes Serienmörderdrama, praktisch leider nicht: In „The Alienist“ schleppt Daniel Brühl sich und die Zuschauer durch zehn Folgen, deren Plot bei Sherlock Holmes in 1-2 Folgen durcherzählt worden wäre.

Die Grundlage zur neuen, weltweit von Netflix vertriebenen Serie „The Alienist: Die Einkreisung“ ist eine vielversprechende: Das Drehbuch basiert auf dem 1994 erschienenen und als unverfilmbar geltendem Kriminalroman „The Alienist“ von Caleb Carr, die Handlung – brutaler Kindermörder treibt im New York vor der Jahrhundertwende sein Unwesen und muss gefunden werden, bevor er erneut zuschlägt – schreit nach einer TV- oder Kinoadaption. Der US-Sender TNT, Regisseur Jakob Verbruggen und Produzent Cary Fukunaga („True Detective“) haben sich nun an das Material getraut – und sind leider auf hohem Niveau gescheitert.

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New York im Jahre 1896. Wir schreiben das sogenannte „Vergoldete Zeitalter“: Die Reichen frönen einem edlen Leben, die Armen müssen in den Gossen der Stadt jeden Tag um selbiges kämpfen. Straßenkinder putzen Schuhe oder prostituieren sich, in den Bordellen steigt die Nachfrage nach Jungs, die sich als Mädchen verkleiden. Unter denen sucht und findet auch ein unbekannter Serienmörder seine Opfer: Auf brutale Weise entführt und ermordet er sie, schneidet ihnen Organe und Augen heraus und platziert die Leichen an öffentlichen Plätzen. Auf verglasten Hausdächern zum Beispiel oder am Fuße der damals erst zehn Jahre jungen Freiheitsstatue.

Da jede Spur ins Leere läuft, übernimmt Dr. Laszlo Kreizler (Daniel Brühl) den Fall und gründet dafür eine Art Taskforce, die neben ihm aus Phantombildzeichner John Moore (Luke Evans), der Sekretärin des Polizeikommissars und späteren Präsidenten Teddy Roosevelt, New Yorks erster weiblicher Polizei-Mitarbeiterin Sara Howard (Dakota Fanning) sowie aus den Zwillingsbrüdern und Sergeants Marcus und Lucius Isaacson (Douglas Smith und Matthew Shear) besteht. Kreizler ist das, was man heute einen Profiler oder forensischen Psychologen nennen würde: „In the 19th century, persons suffering from mental illness were thought to be alienated from their own true natures. Experts who studied them were therefore known as alienists“, heißt es zu Beginn jeder Folge. Brennend interessiert ihn dementsprechend nicht nur das „Wer?“ auf der zehnteiligen Suche nach dem Serienmörder, sondern vor allen Dingen das „Warum?“.

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Neben diesem eigentlich spannenden Grundplot werden in „The Alienist“ aber weitere Storylines aufgemacht – und völlig lustlos mitgeschleppt: Dr. Kreizler hütet selbst irgendein Geheimnis aus seiner Vergangenheit, was den Zuschauer wie auch Brühl selbst völlig kalt lässt. Moore macht Howard schöne Augen. Die Polizei ist korrupt. Roosevelt will den Laden aufräumen. Der einzige Twist ist der, der bei jedem „Tatort“ so erwartbar wie gesetzt ist: Der Hauptverdächtige ist, Überraschung, womöglich nicht der Täter. Bis sich die Fahndungsversuche von Kreizler und seinem Team endlich zuspitzen, ist man als Zuschauer sogar über dem durchaus beeindruckenden Setting längst eingeschlafen. Es bleibt der Eindruck: Der zur gleichen Zeit in London wirkende Sherlock Holmes hätte den Fall in nur einer einzigen Folge gelöst.

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Keine Frage: „The Alienist“ lebt von seiner gewaltigen Kulisse (gedreht wurde größtenteils in Budapest), seinen Kostümen, seiner detail- und blutreichen Inszenierung der Opfer und dem Budget: Jede Folge soll rund fünf Millionen US-Dollar gekostet haben. Lücken im Drehbuch wurden damit leider nicht gefüllt: Selbst Daniel Brühl, der hier seine erste US-Hauptrolle spielt und mindestens unter deutschen Zuschauern einen Sympathiebonus genießen müsste, kommt in seiner Figur des getriebenen Psychologen so egal, austauschbar und mit hölzernen Dialogen und Monologen daher, dass zu befürchten ist: Seine Rolle als „The Alienist“ wird wohl eher nicht sein internationaler Durchbruch, sondern eine Versenkung im Netflix-Algorithmus. Die Tatsache, dass immerhin die letzte der zehn Folgen von „The Alienist – Die Einkreisung“ alle Elemente eines großen Finales enthält – Finten, noch größere Kulissen, Rückblicke, Nahkampf, Enthüllungen, Special Effects und natürlich Liebe – und trotzdem mehr Ratlosigkeit und Langeweile als Begeisterung zurücklässt, tut da leider nur ihr Übriges.

„The Alienist – Die Einkreisung“, seit 19. April 2018 auf Netflix im Stream