Team Scheisse im Interview: „Es kann sich niemand erlauben, nicht mitzumachen“
Thomas Tegethoff und Simon Barth haben sich nach ihrem Antif-AfD-Gig in Riesa Zeit für ein Haltungsgespräch genommen.
Laut gegen die AfD: Am Samstag, den 11. Januar, spielten Team Scheisse live auf der von der Initiative „Kein Bock auf Nazis“ organisierten Bühne bei der Großdemo gegen den AfD-Parteitag in Riesa. So bestärkten sie die Demonstrant:innen beim Haltungzeigen gegen rechte Hetze.
Und schon kurz danach nahmen sich Bassist Thomas Tegethoff und Drummer Simon Barth Zeit für uns, um über die Energie bei der Anti-AfD-Demo zu sprechen, aber auch über den generellen Kampf gegen Rechte, über die Wirkung von Helene Fischer und was man von Team Scheisse lernen kann.
Das Setting: Die beiden Team-Scheisse-Mitglieder sitzen in ihrer WG-Küche in Bremen, das Tageslicht glimmt zu ihnen herein, es wird sich eine Kanne Tee gemacht und eine Katze zeigt sich schnurrend im Video-Gespräch. Here we go …
Wollt ihr kurz ausholen – wie habt ihr den 11. Januar in Riesa wahrgenommen?
Simon Barth: Ich hatte das Gefühl, da waren so zwei Modi am Start. Einerseits gab es da die Großveranstaltung direkt vor dem Gebäude, wo sich die Nazis getroffen haben und wo wir auch gespielt haben. Das war bewusst aufgezogen wie eine Art kleines Musikfestival, mit Acts und Redner:innen. Andererseits gab es die Aktivist:innen, die in der ganzen Stadt verteilt für Action gesorgt haben. Man hat sich auf kreativste Arten auf die Straßen geklebt oder gekettet, um so Nazis zu blockieren. Und das bei den furchtbarsten Temperaturen und zu wirklich unchristlichen Uhrzeiten, denn manche sind schon in der Nacht davor hingefahren, um diese ganze Kleinstadt einfach komplett zu blockieren.
Es sollen ja um die 15.000 Demonstrant:innen vor Ort gewesen sein. Merkte man das?
Simon: Wenn du mich fragst, hätten das auch mehr Leute gewesen sein können. Die Stadt wirkte wirklich voll. Es war super beeindruckend und schön zu sehen, wie viele Menschen aus ganz Deutschland an diesen entlegenen Ort gefahren sind, um mitzumachen.
Im Nachhinein wurde auch viel über mutmaßliche Polizeigewalt diskutiert. Was habt ihr gesehen?
Simon: Fangen wir mal mit der Art und Weise an, wie die friedlich gemachten Straßenblockaden geräumt wurden … Da wurde geknüppelt und Pfefferspray eingesetzt. Die Leute wurden teilweise sogar daran gehindert, überhaupt zu der Demo zu gehen – der angemeldeten Demo! Das ist natürlich überhaupt nicht in Ordnung. Darüber gab es in den Medien aber leider sehr wenig Berichterstattung. Dabei wünscht man sich doch hin und wieder ein Medienecho in die Richtung, damit klar wird, wie viel Mühe sich die Leute tatsächlich dabei geben, Aktionen wie diese zu organisieren.
Seht ihr es als eure Pflicht als Musiker an, euch politisch klar zu positionieren?
Thomas Tegethoff: Schon. Unpolitisch sein, finde ich generell gerade sehr schwierig. Es kann sich niemand mehr erlauben, nicht mitzumachen.
Simon: Kunst spiegelt das Leben wider und Politik ist Teil des Lebens. Keiner muss Kunst machen, die politisch ist, aber ich mache gerne politisch bezogene Kunst, das kann sehr stark sein. Vor allem wenn Leute auf einer Bühne mit so einer breiten gesellschaftlichen Stütze hinter sich stehen und über Remigration reden. Ab diesem Zeitpunkt ist jeder Mensch gefragt, sich politisch zu positionieren. Egal, ob Künstler:in oder nicht. Es gibt keinen Platz mehr, sich nicht dazu zu äußern, wenn in der Politik davon gesprochen wird, Leute abzuschieben, die Staatsbürger:innen sind. Das geht mir alles auch nicht mehr in meinen Schädel, dass man sich nach sowas nicht positioniert. Bei uns ist es halt keine Überraschung mehr, dass wir die AfD scheiße finden. Ich würde Unterstützung eher auch von Leuten wünschen, die keine politische Kunst machen. Hätte da jetzt in Riesa zum Beispiel Helene Fischer gespielt, hätte das einen ganz anderen Impact gehabt als wir, die das sowieso (hoffentlich) ein bisschen auch verkörpern. Ich würde mir einfach wünschen, dass mehr Künstler:innen sich trauen und die Gesellschaft nicht einfach so in den Abgrund rutschen lassen.
Kann man eurer Meinung nach Widerstand durch Kreativität stärken?
Simon: Auf jeden Fall. Ich würde aber nicht gleich jeden, der eine feste politische Meinung hat, auch gleich als Widerstand einordnen. Ich würde auch Team Scheisse nicht als Widerstand bezeichnen. Eine Meinung zu haben ist das Mindeste, aber das ist noch nicht der Widerstand. Geht es um den Widerstand, muss man mit den Leuten reden, die sich tatsächlich auf die Straße kleben und die nachts schon losfahren, um Nazi-Autos zu blockieren. Klar, wir können zu Sachen aufrufen und wir können unterstützen und mitmachen, aber da gibt’s Leute, die sich viel mehr und viel krasser damit auseinandersetzen und sich dafür einsetzen.
Gibt es frühere Ereignisse, die euch dazu inspiriert haben, eure Haltung in der Musik auszudrücken?
Simon: Ja, schon. Ich will uns jetzt nicht so sehr als Punkband bezeichnen – wir kommen zwar aus der Ecke, aber mittlerweile sind wir ganz woanders. Die Szene, aus der wir kommen und die wir hier in Bremen auch mitgestaltet haben, ist ganz klar eine politische, in der es ganz explizit darum geht, kommerzielle Orte aufzubauen und dort Konzerte stattfinden zu lassen. Wo sich nicht alles ums Geld dreht, sondern wo es um den Inhalt geht. Dabei waren und sind politische Themen immer wieder der Kern. Da ist Deutschland auch teilweise ganz interessant, weil wir hier, gerade was Punk angeht, eine Subkultur haben, die viele gar nicht wahrnehmen, welche aber in vielen Städten existiert und aktiv Räume für politische Musik oder auch andere politische Kunst schafft. Das hat uns natürlich total geprägt.
Würdet ihr sagen, in Bremen gibt es eine große Punk-Szene?
Simon: Es gibt hier viele Orte, die besetzt sind oder vielleicht mal besetzt waren und jetzt einfach geduldet werden. Da ist meistens viel los. Vom gemeinsamen Kochen bis Musikmachen über politische Veranstaltungen bis hin zu Konzert-Events. Jeder, der mal zum Plenum kommt, kann sich einfach mit seiner kleinen Punkband auf die Bühne stellen und loslegen. Das hat alles während Corona sicher ein bisschen gelitten, aber es ist immer noch existent und das finde ich sehr schön.
Ihr arbeitet derzeit an einem neuen Album. Würdet ihr sagen, dass die derzeitige gesellschaftliche Lage die Songrealisierung beeinflusst?
Simon: Ich glaube, wir sind jetzt nicht die expliziteste Band, was sowas angeht, wir sind ja eher albern. Wir reden oft über gesellschaftliche Themen, aber das meist eher um die Ecke denkend. Unser Album wird jetzt sicher nicht eine komplette Abhandlung der derzeitigen politischen Lage sein, sondern eher unsere persönliche Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation. Vor allem eigentlich Timos [Warkus, Sänger und Songschreiber der Band; Anm. d. Red.] Auseinandersetzung mit der Lebensrealität, die er gerade hat – also politisch, aber auch persönlich gesehen. Das lässt sich manchmal auch schwer trennen.
Was sind eure Ziele mit der Band?
Thomas: Einfach so lange es Spaß macht, genau so weitermachen – das ist das Ziel. Und wir werden uns weiter für Sachen einsetzen, die wir richtig finden.
Simon: Wir haben halt keinen Masterplan für die politische Rettung Deutschlands, aber wenn man vielleicht eine Sache von Team Scheisse mitnehmen kann, dann, dass man sich als Band ein bisschen mehr trauen kann, seine Meinung zu sagen, ohne dass es einem irgendwas kaputtmacht. Die Leute haben auch viel Angst davor. Künstler:innen haben Angst, den Social-Media-Algorithmus nicht richtig zu füttern, haben Angst, Pausen zu machen, haben Angst, bestimmte Dinge zu sagen, die sie vielleicht sagen wollen. Und vielleicht kann man das ja von Team Scheisse lernen, dass man auch einfach in einem Lied etwas verarbeitet oder ein kleines Statement bringt, ohne sich dabei komplett zu stressen. Wenn man dann vielleicht ein paar Fans verliert, gewinnt man möglicherweise auf einer anderen Seite wieder welche dazu. Ich hoffe, dass wir ein paar kleinere Künstler:innen ermutigen, sich nicht ganz so stressen zu lassen von solchen Dingen und einfach entspannter zu sein.