Konzertbericht

Taylor Swift in München: Eine Erfahrung, die weit über ein normales Konzert hinausgeht


Nach Shows in Gelsenkirchen und Hamburg beendete sie am 28. Juli ihre Deutschlandgigs in München. Wir waren dabei.

Schon Stunden vor dem offiziellen Einlass ist der Olympiapark voller Menschenmassen. Taylor Swift wird heute Abend das zweite und letzte ihrer München Konzerte geben. Erwartet werden über 70.000 Fans, oder „Swifties“, wie sie sich selbst nennen. Nochmal gut die Hälfte dürften sich als Zaungäste auf dem nahen Olympiaberg platzieren, wo man kostenlos, bei bestem Kaiserwetter, auch einen Hauch von Taylor bekommt.

Taylor Swift: Olympiaberg sorgt international für Schlagzeilen

Die Kuriosität der auch namentlichen Gruppenzugehörigkeit von Fans großer Acts ist nicht neu: Lady Gaga hat die „Little Monsters“, Justin Bieber die „Beliebers“ und Depeche Mode die „Devotees“. So schaffen sich die Anhänger:innen eine eigene Subkultur trotz des Mainstreamcharakters ihrer Idole. Die „Swifties“ also, kommen vorbereitet, nämlich mit selbstkreierten Freundschaftsbändern, die sie auf den Konzerten untereinander tauschen, in aufwändigen Outfits, inspiriert von den märchenhaften Kleidern ihres Vorbilds und mit Plakaten, die die Aufmerksamkeit des Superstars auf sie lenken sollen. Zunächst warten sie aber in seliger Eintracht in der sengenden Sonne. Die Ordner geben Goldfolien aus, die die Fans vor der Hitze schützen sollen und anstelle von Bierverkäufern wird kostenlos Wasser verteilt. Hier zeigt sich München als vorbildlicher Veranstaltungsort, der das zeitweilige Chaos beim Einlass wieder wett macht.

Just let me be myself

Ein Timer zählt die letzten Sekunden bis zum Konzertbeginn herunter, im Hintergrund läuft die emanzipatorische Hymne von Lesley Gore „You don’t own me“. Und dann erscheint sie, die unangefochtene Queen des Pop, in einem glitzernden Body, emporgehoben aus den Untiefen der Bühne und die Menge rastet vollkommen aus. Wie eine Urgewalt bricht sie über ihr Publikum herein, um dann mit einem charmanten amerikanischen Akzent ihre Fans auf Deutsch zu begrüßen: „Servus! Schön euch zu sehen“ sagt sie und schiebt direkt hinterher: „You’re really making me feel very powerful – you’re making me feel like I’m a man“ bevor sie ihren feministischen Hit „A Man“ anstimmt – sie trägt dazu ein blaues, glitzerndes Sakko, studiert und genehmigt Business-Papiere in einem riesigen Bürokomplex, der per LED-Leinwand visuell umgesetzt wird. Keck wirft sie ihre Füße auf den Schreibtisch und zeigt die roten Sohlen ihrer Louboutin-Stiefel. Ein richtiges Boss Babe, das sich nicht scheut, die Missstände bei der Gleichberechtigung zu benennen und das auch mit seiner politischen Meinung nicht hinter dem Berg hält. Ihre Anti-Trump Haltung ist hinlänglich bekannt.

I’ll be your host tonight, my name is Taylor

Die Gastgeberin des heutigen Abends stellt sich bescheiden als solche auch mit ihrem Namen vor, dabei ist sie wohl momentan eine der populärsten Personen der Erde. 52 Stationen umfasst ihre Welttournee, München ist Stadt Nummer 44. Egal, wohin die US-Amerikanerin kommt – die Menschen und die Medien stehen Kopf. Gelsenkirchen wurde kurzerhand in „Swiftkirchen“ umbenannt, von den wirtschaftlichen Gewinnen für die Konzertstädte mal ganz abgesehen. Traurig sei sie, dass ihre Deutschlandreise nun vorbei sei, weil das Publikum so „special“ ist. Aber sie verkündet freudig: „We will be back to see you!“

Shade never made anyone less gay

Ihre queer-freundliche Attitüde, die sich in Songs wie „You Need To Calm Down“ sehr offensichtlich zeigt, spiegelt sich auch im Publikum wieder. Paradiesvögel jeglichen Geschlechts und offen queere Personen feiern friedlich zusammen ihr Idol. Auch während des Konzerts werden noch selbstgemachte Armbänder getauscht oder verschenkt, Papierherzen machen die Runde, die beim Schmachtsong „Lover“ kollektiv hochgehalten werden. Am Eingang bekommen die Fans Armbänder, die ferngesteuert in bunten Farben blinken. Es ist eine Erfahrung, die weit über ein normales Konzert hinausgeht. Ergreifend, wie, vereint in der Musik, kollektive Erinnerungen geschaffen werden.

Taylor Swift live in München
Taylor Swift live in München

Taylor Swift hat ihr Publikum vollkommen im Griff. Man glaubt ihr jedes Wort, wenn sie auf dem moosbedeckten Dach einer Hütte im Wald liegt, in einem wallenden, roten Abendkleid und in „Cadigan“ davon singt, wie es ist, 17 zu sein. „When you are young they assume you know nothing“. Um sie herum leuchten Glühwürmchen.

Sie erzählt, wie verwirrend die Pandemie für sie  – wie auch für alle anderen – war. Dass man viele Bücher gelesen, viele Filme geschaut und wohl auch viel Wein getrunken hat – zumindest sie. Taylor ist nahbar, wenn sie ihren Fans diese Dinge erzählt, als würde sie ihnen ein Geheimnis anvertrauen, obwohl sie das jeden Abend tut. Sie gibt ihrem Publikum ein Stück von sich, zeigt, dass auch sie nur ein Mensch ist, der vollkommen überrumpelt von Corona, sein Leben neu ordnen musste. Sie sei dankbar, wieder auftreten zu dürfen und ihre Songs live zu performen. Und da sitzt sie nun, inmitten ihrer Band und kräuselt die Nase, wie nur sie es kann.

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Kurz darauf hockt sie am Klavier im Wurzelwerk eines Mammutbaumes, eine Leuchte hängt an der Decke. Taylor, das elfengleiche Wesen, besingt nun „Champagne Problems“.

Echte Gefühle

Wenn sie danach in die Menge schaut und ihre Augen glitzern, sie die In Ears rausnimmt, um den Jubel ihrer Fans unverstärkt zu hören, sich ungläubig umschaut und feiern lässt, dann sieht man echte Gefühle. Und falls nicht, spielt sie so verdammt gut, dass sie den Jubel trotzdem verdient hat. „Ich lieb euch alle“, haucht sie ins Mikrofon.

Taylor Swift füllt die riesige Bühne auch dann, wenn sie keine Tänzer:innen um sich hat. Dennoch lebt die dreieinhalbstündige Show von zig Kostümwechseln und ausgeklügelten Choreographien. Die Musik kommt nicht aus der Konserve, sondern wird live von einer Band gespielt, auch Taylor singt live. Die 45 Titel umfassende Setlist ist selbstredend immer gleich – bis auf das Akustikset, das Taylor in einem orangefarbenen Kleid zu Teilen mit der Gitarre und dem Klavier bestreitet. Am Sonntagabend sind es „I Don’t Wanna Live Forever / imgonnagetyouback“ und „loml/ Don’t You“. Die Fans sind auch hier textsicher. Nicht nur bei den Überhits wie „Anti Hero“ oder auch „Shake It Off“ singt Taylor gegen zehntausende Stimmen an, sondern auch bei den B-Seiten des Abends. Fulminant endet das Konzert um kurz nach 22:30 Uhr mit „Karma“ und einem Feuerwerk.

Utopie Taylor

Es ist eine Freude, die Begeisterung im Publikum zu sehen, die vielen selbstbewussten jungen Frauen, die in selbstgenähten Kleidern völlig ausgelassen und positiv feiern. Wenn jeder Tag wie ein Taylor-Swift-Konzert wäre, die Welt wäre eine bessere.

TAS Rights Management