„Tanz nicht den Mussolini“


"Mir gefällt das tonal nicht..": Beim fröhlichen Musikexpress-Liederraten bemühten sich Gabi Delgado-Lopez und Robert Görl alias DAF um differenzierte Urteile.

The Normal – Warm Leatherette

Gabi: Ah, Daniel Miller. Kennen wir, mögen wir. Sowohl die Musik als auch Daniel. Mein Ziel ist es ja, ihn dazu zu bringen, ein Normal-Album zu machen. Es gibt ja nur diese Single. Ich will, dass er ’ne LP macht.

War The Normal ein Einfluss auf euch?

Robert: Nein. Wir haben eher ihn begeistert. Der hat uns damals ja regelrecht verfolgt, als wir unsere ersten Underground-Gigs in England gespielt haben. GABI: Wir haben auch zum Teil bei der Mutter von Daniel Miller gewohnt, mal so ’n Monat oder so.

Robert: Die Anfänge von Mute Records passierten ja auch bei seiner Mutter da im Wohnzimmer.

The Libertnes – What A Waster

Gabi:(ratlos): Ich weiß nicht, was das ist. Und ich weiß auch gar nicht, was das für ’ne Art sein soll…

Das sind The Libertmes, so Punk halt.

Gabi:(bestimmt): Nein. Nein, das möchte ich denen etwas absprechen, dass das Punk ist.

Naja, sie sind ja noch jung.

Gabi: Aber grad wenn man jung ist, sollte man nicht so pingelig sein mit den Arrangements. Das ist viel zu gewollt, um Punk zu sein. Es ist der Traum aller Engländer, irgendwo zwischen Beatles und Sex Pistols zu klingen. Aber diese Mischung ist sehr schwierig.

Jenny Lopez – Jenny From The Block

Robert: Gefällt mir gut, wie das so reinkommt.

Gabi: Ich als Latino sage: Nichts gegen J.Lo.! Die ist ’ne echte Institution überall, wo Spanisch gesprochen wird. Als erste Frau seit Julio lglesias wieder! (lacht)

Rammstein – Ich will

Gabi: Kommt mir vor wie ne schlechte Rammstein-Parodie … Was? Die sind das selber? (lacht schallend) Fühlt ihr euch an Rammstein mitschuldig?

Robert& Gabi: Ein bisschen.

Gabi: Wir haben viele Leute beeinflusst. Meine Lieblingskinder sind Nitzer Ebb. Rammstein sind da eher Neffen. Und wir die bösen Onkels von Rammstein!

Der Plan – Hans und Gabi

Robert: Ah, das ist Der Plan.

Gabi: Das ist schön. „Hans und Gabi“. Da fühlte ich mich immer von angesprochen, irgendwie, (lacht)

Robert: Ich war sogar in die Gründung vom Plan involviert. Damals gab’s ja viel Durchgewechsel zwischen den Bands. Da gab’s einen guten Austausch.

Gabi: Wir wollten doch sogar mal ’ne Supergruppe gründen, bei so einem legendären Meeting in Wuppertal. Mit Leute von Syph, Plan, Male, DAF…

Robert: Ja, so eine Fusion. Hat aber nicht geklappt.

Neonbabies – Blaue Augen

Gabi: Oh. Saxofon. Gefällt mir nicht. So schlechter Rock’n’Roll, Bass, Saxofon … Ah, Neonbabies. Ich mag ja die Inga, aber die Musik fand ich immer blöd.

Robert: Die haben auch so mit Klischees gearbeitet.

Gabi: Ich mein‘, allein der Name Neonbabies! Da könnten die auch Schulterpolster heißen! Der Gitarrist, der Polak, war später lange mein Anwalt. Und dem hab ich das gesagt: Das war ein ganz schlechter Name damals, Junge. Und ein schreckliches Saxofon.

Tocotronic – Hi Freaks

Robert: Hm. Lange Einleitung.

Gabi: Ziemliches Brimborium jetzt schon gemacht, jetzt muss auch was kommen. Ist ja wie in der Kirche.

Robert: So ne Hoppelnummer, irgendwie.

Das sind Tocotronic.

Gabi: Die sind mir immer ein bisschen verschlossen geblieben, Tocotronic. Mir gefällt das tonal nicht.

Robert: So schlagermäßig ein bisschen, so nett.

Gabi: Aber ich hab mal Texte gelesen von denen, die fand ich nicht schlecht. Sehr abstrakt. Aber ich mag ja zum Beispiel auch die Sterne, wenn die so blöd rumsingen. Die Musik nicht so, aber die Texte.

Fettes Brot – Welthit

Gabi: Das ist halt Crossover-HipHop. Ich steh nicht so auf diese Metalgitarren. Ich war damals ein bisschen auf Run-DMC sauer, als die angefangen haben mit dieser Unsitte. Das hat zu dieser unsäglichen Mode geführt, irgendwelche Hits zu nehmen und da drüber zu rappen. Ich mag HipHop lieber als richtigen HipHop und nicht in dieser Crossover-Variante. Fettes Brot sind das? Ich fand die früher hiphoppiger. Das ist mir zu Such-A-Surge-mäßig. Warum machen die das? Warum machen die sich künstlich schwer?

Kraftwerk – The Man Machine

Robert: Das ist jetzt eher die Kraftwerk-Schiene.

Schiene kannst du weglassen. Es sind Kraftwerk.

Robert: Die haben schon auch ein paar stimmige Nummern gemacht. War aber nicht unser Ding. Wir wollten viel roher und dreckiger sein als die.

Gabi: Aber in der Art haben sie gute Sachen gemacht.

Robert: In dieser mechanischen Elektronik.

Gabi: Das Problem mit Kraftwerk ist, glaub ich, ein konzeptionelles. Weil die sehr von diesem Fortschrittsglauben der End-60s, Anfang-70s inspiriert waren. Dass sie sehr viele technische Sachen – wie Atomkraft – positiv bewertet haben in einer eher altmodischen Zukunftsgläubigkeit. So: „Hui, Atomautos gibt’s später!“ Aber sie wurden von der realen Entwicklung überrollt. Es gibt noch keine Roboter, aber das Internet hat Kraftwerk halt nicht kommen sehen. Ein konzeptionelles Problem. Die haben das ja auch versucht zu korrigieren. Zum Beispiel haben sie „Radioaktivität“ später nochmal aufgenommen: „Stoppt Radioaktivität“. Das ist ja ganz blöd. Dann sing ich jetzt „Tanz nicht den Mussolini“ oder was? (lacht) Weißte? Und diese Korrekturen, die sind sehr image-schädigend gewesen für Kraftwerk. Ich kenn viele Leute, die die sehr respektiert haben und nicht mehr genau wissen, was mit denen los ist.