Tanz den Josef Stalin


Russendisko: in Berlins alter Mitte steht das Kaffee Burger, ein Lokal aus der Zeit, da Diskotheken noch Tanzwirtschaften hießen. Seit November 1999 ist dort wieder eine Disko. Eine Russendisko. Zweimal im Monat legen hier die Freunde Wladimir Kaminer und Juri Gurzhy allerhand Abseitiges auf die Plattenteller, was von der Konkursmasse des Sowjetreiches so übrig geblieben ist, von Punk und Rock über Polka und Folk bis zu Klezmer ist alles erlaubt, was Laune macht. Entsprechend ausgelassen wird getanzt und dem Wodka zugesprochen. Was in Berlin längst Institution geworden ist, das kann man sich nun endlich auch auf CD kaufen: „Russendisko-Hits“. Und die hören sich leicht und flockig an. Gurzhy, der vor drei Jahren aus der Ukraine nach Berlin kam: „Selbst Russen sind oft überrascht, wenn sie die Musik hören.“ Spleenig und schräg, Latin aus Sankt Petersburg und Ska aus dem Ural. Obschon Gurzhy keineswegs beansprucht, die russische Musikszene abbilden zu wollen – Dreh- und Angelpunkt der CD sind die Abende im Kaffee Burger, ihre Würze bezieht sie nicht aus dem Zusammenprall von Ost und West, sondern von deutschen Erwartungshaltungen und russischer Realität. Wie subversiv die interkulturellen Tanzgelage sein können, demonstriert Gurzhy, selbst Musiker, dann doch gerne persönlich: Eines der krudesten Stücke ist eine Coverversion seiner Band Rot Front, die Kraftwerks „Roboter“ durch den Fleischwolf drehte: Russisch gesungen, Englisch gesungen, die Elektronik durch ein Akkordeon und den Refrain durch einen Jungmädchenchor ersetzt. Wenn das kein kulturelles Missverständnis ist… www.russendisko.de