Super Bock Super Rock 2017: So war es bei Europas sonnigstem Urban-Festival
Wir sind für Euch ins sonnige Lissabon geflüchtet, haben Vitamin D getankt, Auftritte von Red Hot Chili Peppers, Pusha T und Capitão Fausto genossen – und empfehlen Euch es uns nächstes Jahr nachzumachen.
Wie kann ein Festival, das einem am Eingang direkt ein kaltes Eis am Stiel in die Hände drücken lässt, nicht reihenweise Herzen im Sturm erobern? Es ist Donnerstagnachmittag und in Lissabon herrschen 34 Grad. Umso weitsichtiger, bei diesem Wetter für ausreichend Abkühlung zu sorgen – das Super Bock Super Rock kümmert sich nunmal um seine Gäste.
Gelegen im Parque des Nações, dem ehemaligen EXPO-Gelände von 1998 im Osten der portugiesischen Hauptstadt, findet das SBSR zum bereits 23. Mal statt. Wo in den vergangenen Jahren exklusive Highlights wie Shows von Kendrick Lamar, Blur und Sting auf die Besucher warteten, steht in diesem Jahr alles im Zeichen des Endes einer elfjährigen Wartezeit. So lange haben sich die Red Hot Chili Peppers bitten lassen, um nach Portugal zurückzukehren. Dementsprechend hoch ist die Dichte der ikonografischen RHCP-Shirts am ersten Festivaltag. Doch bevor Anthony Kiedis und Co. um Mitternacht die in der MEO Arena befindliche Hauptbühne betreten, gibt es einiges anderes zu erleben.
Red Hot Chili Peppers mit solidem Greatest-Hits-Set
Etwa ESC-Sieger Salvador Sobral, der mit seinem Bandprojekt Alexander Search das Festival auf der Open-Air-Bühne eröffnet und beweist, dass er sich nicht nur in fragilem Jazz heimisch fühlt. Er rappt, er growlt (!), er chrismartint – er scheint, so hohl wie es klingen mag, ein kompletter Sänger zu sein. Darüber liegt ein diffiziles Soundkonstrukt, das spielerisch leicht von Fusion-Jazz in Stadion-/Radio-Rockpop wechselt.
Eine weitere portugiesische Entdeckung am ersten Festivaltag sind Capitão Fausto. Zunächst hat man etwas Mitleid, haben sie doch den schwierigen Slot direkt vor den Chili Peppers erhalten. Diese Bedenken verfliegen jedoch spätestens, als die Band beim dritten Song anscheinend den ersten Hit ansetzt und 20.000 Portugiesen mitsingen. So klingt also sommerlicher, flotter Indie-Rock auf Portugiesisch! Musikalisch durchlebt man als Auswärtiger zwar keinen Erweckungsmoment, ordnet man die einzelnen Elemente relativ fix Phoenix, Vampire Weekend und Two Door Cinema Club zu, doch es geklingt Capitão Fausto nie zu gefällig zu werden und dadurch in Belanglosigkeit zu verfallen.
Was anschließend Red Hot Chili Peppers bieten, lässt sich auf die Zeile „Solides Greatest-Hits-Set minus ‚Under The Bridge’“ herunterbrechen. Umso enervierender wirkt da das Muckertum, das sich durch die kompletten 90 Minuten zieht. Vor wirklich jedem Song setzt irgendjemand irgendein Solo oder Instrumental an. Das völlig ekstatische Publikum stört sich jedoch keineswegs daran. Zu sehr lechzen sie nach dieser großen Band, nach ihrer Präsenz, nach dem Fakt, dass sie tatsächlich gerade hier in Lissabon sind. Diese 20.000 Portugiesen packen 80.000 Hurricane-Besucher locker in die Tasche, wenn es darum geht, die Festival-Anlage zu übertönen.
Es ist genau dieser Vibe, der das SBSR so angenehm macht. Man blickt ausnahmslos in glückliche Gesichter – was sicherlich auch am dauernden Gratis-Eis liegt –, Bands, wie The Orwells, mit denen man in unseren Gefilden niemanden mehr vor eine Festivalbühne lockt, werden gefeiert, als seien sie Musik-Apostel.
Ist Future derzeit der innovativste Rapper?
Die frohe Botschaft der friedlichen Feierei kann nicht einmal Pusha T erschüttern, der am Freitag stark beginnt, umso stärker abbaut und nach 25 Minuten plötzlich die Bühne verlässt. Hatten gerade noch tausende Kehlen seinen Part aus Kanye Wests „Runaway“ mitgerappt, steht nun ein sichtlich verwirrter DJ vor einer nicht minder verdutzten Menge. Versprühte der Rapper gerade noch Lust und Spaß, verpennt er jetzt seinen Einsatz bei „So Appalled“, mit dem sein Back-Up ihn wieder vors Publikum locken will.
Wesentlich seriöser zieht da Future seinen Gig durch. Der Freitagabend-Headliner wird äußerst ambivalent rezipiert. Sehen die einen in ihm den aktuell innovativsten Rapper, halten ihn andere für völlig überbewertet. ich tendierte stets zu zweiterem und fühle mich nach dem Live-Erlebnis völlig in meiner Meinung bestätigt. Musikalische Variationen gibt es gleich Null, zu hören kriegt man einen 100-minütigen Einheitsbrei aus bollernden Trap-Beats und monotonen Bars. Aufgepeppt wird das ganze nur durch drei ADHS-Kids, die, wohl als Tänzer gedacht, über die Bühne hüpfen und zeigen, wie sehr sie ihre Arme verrenken können. Am Ende hat Future knapp 30 Tracks angespielt, dabei jedoch keinen einzigen bleibenden Moment kreiert.
Danke Gratis-Eis Energie für Fatboy Slim
Für eine weitere Überraschung sorgen am abschließenden Samstag ausgerechnet die Radio-Gespenster von Foster The People. Wer würde beim Hören von „Pumped Up Kicks“ schon einen Schlag ultramaskuliner Möchtegern-Rockstars vermuten? Sänger Mark Foster, zu Beginn in einer schweren Leder-Biker-Jacke gekleidet, ist einen großen Teil des Konzertes damit beschäftigt, seine pomadige Frisur zurückzukämmen und sein Shirt kess hochzukrempeln, damit auch der Letzte im weiten Rund der MEO Arena einen Blick auf sein hochgradig peinliches Nackedei-Pin-Up-Girl-Tattoo auf seinem Spargel-Oberarm werfen kann. Was musikalisch hängen bleibt? Nicht viel. Die Songs des kommenden, neuen Albums SACRED HEARTS CLUB versickern, einzig „Pumped Up Kicks“ und das sehr gute „Coming of Age“ sorgen für Lebenszeichen des Publikums. Übrig bleibt die Erkenntnis, dass Foster The People auch die weiteren Jahre ein Dasein als Two-Hit-Wonder fristen werden.
Spät im Festivalverlauf ist man für die vielen Chill-Out- und Zerstreuungsmöglichkeiten, die das Festivalgelände bietet, dankbar. Die Energie, die man sich in den Hängematten am Flussufer des Tejo oder durch den Verzehr eines weiteren Gratis-Eises (ich kann einfach nicht aufhören, Euch dafür zu lieben, SBSR!), geholt hat, wird einem nämlich von Fatboy Slim abverlangt. Doch, Vorsicht: Wer erwartet, dass Norman Cook seine eigenen Hits wie „Rockafeller Skank“ und „Weapon Of Choice“ auflegt, wird schnell sein blaues Wunder erleben. Zwei Stunden gibt es pausenlos härteste Baller-Beats aufs Ohr, der immerhin auch schon 53-jährige Brite gibt an, um und unter den Decks den Derwisch, der weder auf sich noch auf das Publikum Rücksicht nimmt. Atemlos und nass geschwitzt entlässt er das Super Bock Super Rock am Ende doch noch zu den Klängen von „Praise You“.
So sonnig, wie an diesem Wochenende, wird der Sommer nicht mehr. Aber wir sehen uns wieder, „Right Here, Right Now“ beim SBSR 2018.