Suede


SCHLIMME ALTE ZEIT – WER ALS GLAM-Rock-Fan groß geworden ist, weiß: Diese Leute sind unzuverlässig. Einen Sommer lang Superstars, blasen sie sich dann mit Koks das Hirn weg, machen sich mit Pomp-Balladen lächerlich, kriegen Bierbäuche und Glatzen, oder wollen plötzlich Soul-Boys sein. Zum Glück ist heute alles anders. Suede, die einzigen glaubwürdigen 90er-Vertreter des originalen Glam-Gedanken, wie ihn David Bowie.T. Rex und Roxy Music einst definierten, sind seit Jahren zuverlässig und unbeirrbar; da kann auch mal der Gitarrist, den viele für das wichtigste Bandmitglied hielten, einfach so aussteigen, und durch einen 17-Jährigen ersetzt werden. Oder? Ein paar Einschränkungen müssen doch sein: Die Songs vom aktuellen Album „Head Music“ haben live nicht die Mitreiß-Qualität von Klassikern wie „Animal Nitrate“, „Trash“ oder“Saturday Night“. Neil Codlings „Elephant Man“ ist sogar – huch so richtig schwach. Ein Ausrutscher allerdings nur, zum Glück. Brett Anderson macht mit seiner Bühnenpräsenz und elektrisierenden Ausstrahlung vieles wieder wett. Allerdings mag sich mancher im gut gefüllten Babylon gewünscht haben, der begnadete Sänger mit der Jahrhundertstimme möge den einen oder anderen Refrain doch auch mal selbst singen, statt beinahe ausschließlich das Publikum dafür einzuspannen. Daß „Keyboarder“ Codling, der bei der letzten Tournee noch als hyper-coolerTasten-Star mit Schwarz-Kluft und Zigarette für Ohnmächten sorgte, sich neuerdings für eine Art wiedergeborenen Bryan Adams hält, sich bei fast jedem Song die Gitarre umschnallt und die filigranen bis hypnotischen Riffs des glücklicherweise wieder etwas abgeschwollenen Richard Oakes mit breit bereiften Akkordwalzen zubrettert, verstärkte den Eindruck einer gewissen Müdigkeit. Aber wir wollen nicht ungerecht sein: Selbst im Zustand spürbarer Müdigkeit am Ende einer langen Tournee haben Suede immer noch genug von jenem unergründlichen Funkeln und Glitzern, das echte Stars von den Heerscharen solider Handwerker unterscheidet. Und für einen so epochalen Evergreen wie „The Beautiful Ones“ verzeiht man ihnen sowieso fast alles.