Sounds now!
1 The Dead 60s – Train To Nowhere
King-Tubby- und The-Clash-beeinflußter Dubrock aus Liverpool.
The Dead 60s kommen direkt aus einem Probekeller in Liverpool, doch sie Mingen wie keine andere Band, die diese Stadt in den letzten zehn Jahren hervorgebracht hat. Anstatt Auftritt für Auftritt in der Hoffnung zu spielen, eines Tages entdeckt zu werden, verbrachten die vier jungen Briten ein knappes Jahr im Proberaum, wo sie unter Ausschluß der Öffentlichkeit ihr Debüt The Dead 60s (26.9.) in allen Einzelheiten ausgearbeitet haben. Die Songs, die eine Vorliebe für The Clash und diverse Dub-Künstler erkennen lassen, haben den Dead 60s bereits einen Support-Slot bei Morrissey und The Bravery verschafft. Mehr dazu im nächsten Heft.
2 Goldfrapp – Ooh La La (Phones-Re-Edit-Radio-Edit)
Disco meets Modern Art. Da Goldfrapp beatlastige Elektronik so gut wie sphärischen Traumpop können, setzt sich ihr Publikum aus zwei getrennten Lagern zusammen. Während sich die eine Hälfte nach einem neuen, verzauberten Felt Mountain sehnt, freut sich die andere über glamouröse Discoklänge, die wie eine Vertonung des avantgardistischen Layouts des inzwischen eingestellten englischen Magazins The Face klingen. „Von Anfang an war immer klar, daß wir genau das tun, worauf wir Lust haben – unabhängig davon, was die Leute von uns erwarten „, sagt Alison Goldfrapp. Die Bearbeitung von „Ooh La La“ stammt von Phones, die bereits einen viel beachteten Oisco-Remix von Bloc Partys „Banquet“ produziert haben.
3 Mice Parade – The Boat Room
Ein intellektuelles Meisterstück. „The Boat Room“ ist ein Labyrinth von einem Song und eine Mathematik-Aufgabe, die man nur mit dem Herzen lösen kann, bem-vinda vontade, das fünfte Album, das der New Yorker Multiinstrumentalist Andy Pierce als Mice Parade aufgenommen hat, ist ein mit Liebe angefertigtes Kunstwerk, dem man mit akademischen Begriffen wie Elektronica und Postrock in keiner Weise gerecht werden kann. Wer diesem Album mehr als eine Chance gibt, wird feststellen, daß ihm ein Zauber inne wohnt.
4 Elbow – Picky Bugger
Entrückter, kunstvoller Popsong aus dem kommenden Album „cast of thousands von Elbow gehört zu den wenigen Platten, die ich mir oft in den letzten fünf Jahren von Anfang bis Ende angehört habe“, sagte Chris Martin kürzlich.
Daß er bereitwillig zugibt, sich für den neuen Cotdplay-Song „Fix You“ bei Elbows „Grace Under Pressure“ bedient zu haben, stört die weit weniger bekannte Band aus Manchester nicht. „Wir fühlen uns geehrt“, sagt Sänger Guy Garvey. Auch das neue und dritte Album leaders of the free world (12.9.), das Tom Rothrock (siehe auch: The Stands) abgemischt hat, enthält so kunstvolle und ideenreiche Songs, daß es wieder zahlreiche Kollegen inspirieren dürfte.
5 Jens Friebe – Abend voller Glück
So schlicht und schön kann Pop sein. „Wenn man auf jede Art Kunst, die versucht, triviale Codes zu integrieren, allergisch reagiert, kann einem meine Musik kaum gefallen“, sagt JensFriebe. Der Shootingstar des letzten Jahres setzt auf seinem zweiten Album In Hypnose die Gratwanderung zwischen den Stilen, den Geschlechtern, zwischen Kitsch und Kunst und emotionaler Hinter- und Vordergründigkeit fort und erschafft auf diese Weise Popsongs von wohltuender Unberechenbarkeit. „Abend voller Glück“ ist, wie Friebe sagt, „ein Liebeslied für die Clique, aber auch einfach ein Liebeslied“.
6 The Posies – All ln A Day’s Work
Just like starting over: Die legen- dären Posies sind zurück. The Posies haben mit ihren ersten beiden Alben 1990 und 1993 wesentlich dazu beigetragen, daß Seattles Musikszene weltweit Anerkennung fand. Trotzdem war 1998 der Titel ihres vermeintlich letzten Werkes Success wohl zynisch gemeint: Obwohl die Band von Kennern als ebenso einflussreich wie zum Beispiel Teenage Fanclub eingeschätzt wurde, gelang ihr doch nie der große Durchbruch. Die Veröffentlichung eines Best-Of-Albums und eines Box-Sets im Jahr 2000 sollte ein Schlußpunkt sein, doch bei der Zusammenstellung dieser Compilations entdeckten die Bandgründer Jon Auer und Ken Stringfellow wieder den Spaß an der gemeinsamen kreativen Arbeit. Die beiden beschlossen, einen neuen Anfang zu machen, fanden aber erst nach einer nostalgischen Posies-Akustiktour, diversen Solo-Projekten und Aushilfsjobs bei R.E.M. die Zeit, das neue Album Every Kind Of Light aufzunehmen. Wie „All In A Day’s Work“ beweist, sind The Posies 2005 in bestechender Form.
7 Stars – Your Ex-Lover Is Dead
Kunstvoller Indiepop aus Montreal. Nachdem die Stars ihr letztes Album Heart noch in der Wohnung eines Bandmitglieds aufgenommen haben, wurde ihnen dieses Mal ein Vorschuß gewährt. „Wir konnten uns leisten, in ein Studio zu gehen, was sehr angenehm war. Wir mußten uns weder Sorgen um die Nachbarn machen, noch mit leisen Passagen warten, bis draußen der Bus vorbeigefahren war“, so Sängerin Amy Millan. Set Yourself On Fire ist ein reifes, kluges und leichtfüßiges Indiepop-Kunstwerk geworden, das mit einigen ausgezeichneten Songs aufwarten kann. Nachdem die Stars zuletzt vor allem in den USA aktiv waren – ihr Debüt war in ihrem Heimatland Kanada nicht einmal erschienen wollen sie sich nun verstärkt auf Europa konzentrieren. Den richtigen Partner haben sie bereits gewählt: Das Quintett war das erste neue Signing des renommierten und erst jüngst wieder auferstandenen Berliner Labels City Slang.
8 The Decemberists – The Engine Driver
Vorschau auf ein Album, das fesselt wie ein guter Roman. Hört man das neue Decembensts-Album Picaresque (5.9.), fühlt man sich wie Holden Caulfield, als er in „Der Fänger im Roggen“ das Bedürfnis verspürt, Isak Dinesen und Thomas Hardy anzurufen, nachdem er ihre Bücher gelesen hat. Je besser man den wundersamen und überaus klugen Indiepop kennenlernt, den auf diesem Album Chris Walla von Death Cab For Cutie produziert hat, desto größer wird der Wunsch, mit Colin Meloy, dem Sänger und Autor der Band aus Portland, Oregon, zu sprechen. Ein irrationales Verlangen, denn die Musik der Decemberists erzählt bereits so unglaublich viel…
9 The Stands – I Will Journey Home
Um in Stimmung zu kommen, haben die Liverpooler ihren 60er-Jahre-Pop in Los Angeles aufgenommen.
Im Gegensatz zum Debüt All Years Leaving war das neue Album Horse Faboulos ein regelrechter Kraftakt: „Die erste Platte sollte ein ‚Eine Band – ein Raum – ein Mikrophon ‚-Album werden. Dieses Mal wollte ich dazulernen. Also haben wir über Wochen mit einem Produzenten an der Pre-Production gearbeitet, bevor wir dann die Songs tatsächlich eingespielt haben“, so Sänger und Songschreiber Howie Payne. Mit der Hilfe von Tom Rothrock (Beck, Elliott Smith, Foo Fighters) nahm Payne in einem Studio in Los Angeles schließlich Songs auf, die kompositorisch anspruchsvoll sind und die klanglich wieder in allen bunten Farben der 60er-Jahre schillern. „I Will Journey Home“ ist ein gelungener Folkpopsong, dessen Melodieführung stellenweise angenehm an „At The Zoo“ von Simon & Garfunkel erinnert.
10 Black Rebel – Motorcycle Club Devils Waitin‘
Die Verwandlung: Das Psychedelic-Trio aus San Francisco entdeckt die Schönheit der Schlichtheit.
„Devils Waitin‘ ist ein Folksong, wie er auf dem Soundtrack zu „Brother, Where Art Thou“ hätte sein können. Obwohl das neue Werk howl (22.8.), das in den Worten der Band „eine Verbeugung vor Allen Ginsbergs Buch und den Beatpoeten der 50er- und 60er-Jahre ist“, keine rein akustische Platte ist, „erinnert ein Stück an einen alten Johnny-Cash-Song und ein paar andere hören sich noch Dylans ersten paar Alben an“. Wie Bassist und Sänger Robert Turner verrät. Da die Beziehung zu der alten Plattenfirma „nicht stark genug war, um einen musikalischen Richtungswechsel zu überleben“, sind Black Rebel Motorcycle Club neuerdings bei PIAS unter Vertrag. Schlagzeuger Nick Jago hatte die Band zwischenzeitlich verlassen, ist aber inzwischen wiederzurückgekehrt.