So war es beim Pfingst-Open-Air Werden 2016


Im Essener Löwental wurde die Festivalsaison 2016 mit Auftritten von Drangsal, LGoony und vielen anderen eröffnet.

Der Nachmittag beginnt mit einer glatten Lüge. Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen spricht während seiner kurzen Ansage auf der Hauptbühne des Pfingst-Open-Airs von „perfektem Festivalwetter“. Bei unter 15 Grad und bedrohlich schwarzen Wolken über dem Löwental kann zwar keiner der Anwesenden dem Stadtoberhaupt so recht folgen, dennoch trifft der junge Politiker einen Punkt: Das Pfingst-Open-Air im Essener Stadtteil Werden, kurz POAW, ist Kult. Zum 34. Mal lädt es zu einem Umsonst&Draußen-Festival, das es zu besuchen lohnt. Und so viel sei schon einmal verraten, das Publikum bleibt überraschend trocken.

Eingängiger Dada-Pop mit Songs über Macaulay Culkin

Es wäre auch zu schade, würde der Auftritt der sehr guten Gruppe Golf aus Essen und Köln ins Wasser fallen. Das Quartett, das erst am vergangenen Freitag sein Debüt PLAYA HOLZ veröffentlichte, kennt das POAW. Bereits 2012 trat der Kern der Band im Löwental auf, damals noch als eisbær und deutlich mehr von den Foals inspiriert als heute. Unter dem Namen Golf machen die jungen Herrschaften jetzt eingängigen Dada-Pop, der keinerlei Berührungsängste zu Disco und 80’s-Pop hat. Trotz der frühen Uhrzeit zieht das Publikum mit und feiert Songs wie „Macaulay Culkin“, „Ping Pong“ und „Coconut“ als das, was sie sind: Hits.

Verhaltener reagiert das sehr junge Essener Publikum da schon bei Drangsal. Max Gruber und Band wirken dementsprechend konsterniert, während sie durch ihr Set hasten und Songs wie „Love Me Or Leave Me Alone“ und „Do The Dominance“ kaum Raum zur Entfaltung erhalten. Sie strengen sich an, man sieht es Grubers Mimik an, doch der Funke will nicht überspringen. Erst die Erwähnung des nach ihm auftretenden Trap-Rappers LGoony sorgt für einen Augenblick der Entspannung in dieser grotesk wirkenden Szenerie. Nach einem Cover von „For Whom The Bell Tolls“ von Metallica geht er wortlos von der Bühne. Vereinzelte Rufe nach einer Zugabe verlieren sich im einsetzenden Stimmengewirr.

Mit Hip-Hop zur Eskalation

Denn nach Drangsal entert LGoony gemeinsam mit DJ Heroin und Back-Up Juicy Gay die Bühne. Das Publikum rastet völlig auf die ballernden Trap-Beats des milchbübigen Money-Boy-Zöglings aus und rappt textsicher all die Lyrics über Versace, Bugatti und Money mit. Wie kann man sich nur so hart gönnen, fragt man sich.

Um diese völlig aufgekochte und immer berauschtere (die Joints werden herumgereicht, wie anderenorts eine Packung Gummibärchen) Masse völlig zum eskalieren zu bringen, benötigt es schlussendlich nur noch eines Funkens – und den liefern Grim104 und Testo. Die beiden Rapper, die als Zugezogen Maskulin gemeinsam agieren, verwandeln das Löwental, man kann es nicht anders sagen, in ein Tollhaus. Pyro links,  Rauchbomben rechts, crowdsurfende Rollstuhlfahrer (!) vor einem, Moshpits so groß wie die Loftbüros der Agenturensöhne. Ein wahnsinniges Spektakel, das auch die letzten grauen Wolken vertreibt für die, die sich nach diesem Inferno noch dem Hausmannspunk der Donots hingeben wollen.

Wir gehören nicht dazu und verabschieden uns mit tief gezogenem Hut vor diesem wunderbaren Festival, das uns nicht besser in eine hoffentlich grandiose Festival-Saison 2016 entlässt.