So stumpf wie manches Schwert: „Cursed – Die Auserwählte“ auf Netflix
„Cursed – Die Auserwählte“ erzählt die Artussage aus weiblicher Perspektive. In der Netflix-Serie werden Elemente aus Fantasy- und Historienfilm verbunden und angereichert mit einer ordentlichen Brise Coming-of-Age- und Love-Story. Auch wenn die Idee hinter der weiblichen Heldensaga löblich ist: Ein schwaches Drehbuch, flache Charaktere sowie oft unnötig brutale Action lassen die Neuinterpretation leider zum überbordenden Flop werden.
Die Serie hat kaum begonnen, da wurde Nimue schon alles genommen. Die Mutter getötet, das Dorf überrannt und abgebrannt. Schuld am Schicksal der „Cursed“-Protagonistin sind die Roten Paladine, eine Gruppe religiöser Eiferer, die die Bevölkerung der Fey, der Nimue angehört, als besonderen Feind ausgerufen haben. Sie sehen die Fey als Teufel an, die sie auslöschen wollen.
Eine sogenannte Fey ist auch Nimue (gespielt von Katherine Langford, bekannt aus „Knives Out“ und „13 Reasons Why“), die auch selbst schon in jungen Jahren aufgrund ihrer besonderen – sagen wir – Fähigkeiten Erfahrungen mit gesellschaftlicher Ausgrenzung machen musste und somit das Gefühl, ein „Misfit“ zu sein, kennt.
Auch wenn die Roten Paladine um Pater Carden (Peter Mullan) Nimue ihrer Familie und Freunde – sie findet nach dem Angriff auch ihre beste Freundin Pym (Lily Newmark) nicht wieder – beraubt haben, gibt es etwas, das Nimue geblieben ist. Kurz vor ihrem Tod händigte ihre Mutter, die als wichtige Mentorin für Nimue fungierte und ihr viel über ihre außerordentlichen Kräfte lehrte, ihr ein Schwert aus und befahl Nimue, es zu Merlin (Gustaf Skarsgård) bringen. Schnell wird klar, dass es sich hier um einen mystischen Gegenstand handelt, von dem eine enorme Macht ausgeht. Für sie beginnt nun eine Suche nach Merlin, aber auch nach sich selbst.
Von anderen wurde ihr meist eingetrichtert, sie sei verflucht, auch von ihrem Vater, der die Familie früh verließ. Aber eigentlich hat sie eine enorme Gabe – und diese wird sie nun für die Freiheit der Fey nutzen. Dieser Erkenntnisweg einer jungen Frau, ihr Kampf für Freiheit im späten 5. Jahrhundert könnte das alleinige Zentrum dieser Serie sein, aber leider wollten die Macher zu viel – und machten „Cursed“ zum Genre-Durcheinander, bei dem zwischen halbgaren Figuren und Handlungsbaustellen nur so hin und her gesprungen wird.
Kampf um die Macht
Hexe und Dämonin? Oder doch Erlöserin und Zauberin? Nimue musste sich viele Bezeichnungen anhören. Die junge Frau, die in der eigentlichen Artussage noch besser bekannt unter dem Namen „Lady of the Lake“ ist, spielt die zentrale Rolle in „Cursed“, eben jener neuen Netflix-Serie, die auf einem gleichnamigen Roman der Autoren Tom Wheeler und Frank Miller („Sin City“) basiert und nun den an sich sehr tollen Kniff wagt, eine Sage aus der Geschichte einer Frauenfigur zu erzählen. Soweit, so gut, aber: „Cursed“ baut noch einige weitere Baustellen ein.
Da wäre der Stein, der zunächst alles ins Rollen bringt: Im Königreich besteht ein Machtvakuum, hat König Uther (Sebastian Arnesto), seinerseits ein korrupter Machtmensch und somit einer von mehreren glasklaren Antagonisten in der Serie, doch einige Probleme an der Backe: Das Land ist von Trockenheit geplagt, die Ernten fallen aus und auch sonst lässt er an Führungsstärke und Autorität missen.
Aufgrund der anhaltenden Dürre bittet Uther den Druiden Merlin um Hilfe: Er soll seine Magie nutzen um Regen zu bringen. Doch Merlin, von dem viele vermuten, dass er seine Magie sowieso schon längst verloren habe, befolgt den Befehl seines Königs nicht und lässt stattdessen Blut regnen.
Merlin steht zwischen den Stühlen: Einerseits war er lange ein Vertrauter des Königshauses, doch befindet er sich inzwischen in einer persönlichen Krise. Wir lernen ihn als Outcast, als Unangepassten kennen, als jemanden, der gerne mal einen über den Durst trinkt, randaliert und vor allem rebelliert. Dabei versteht er es dennoch stets, eine Situation gekonnt zu beurteilen und sein taktisches Vorgehen zu planen. Genügend Lebenserfahrung hat er ja, ist er doch, so wird es öfter erwähnt, bereits mehrere Jahrhunderte alt. Seine Verweigerung des royalen Dienstes bleibt dennoch nicht ohne Folgen. Merlin wird des Hochverrats an der Krone bezichtigt und er soll zum Tode verurteilt werden.
Somit stellen sich sowohl Merlin als auch Nimue große Widerstände entgegen: Nimue kämpft sich durch das überall von den sich ermächtigt fühlenden Roten Paladinen besetzte Land, während Merlin als Verräter eingestuft wird. Doch immerhin ist Nimue nicht alleine bei ihrer Aufgabe: Sie findet einen Freund im Söldner Arthur (Devon Terrell); auch dessen Schwester Morgana (Latesha Wilson) lernt sie später kennen und auch sie wird ihr noch in einigen Momenten zur Seite stehen.
Im Laufe der Serie passieren allerhand Dinge: Gebäude brennen, Bedrohungen entstehen, Bedrohungen gehen, Köpfe rollen. Es scheint aber unausweichlich, dass die Handlung auf eines hinausläuft: auf den einen großen Konflikt, in dem sich alle gegen Nimue und ihre Verbündeten stellen.
Das Schwert scharf, die Handlung stumpf
Auf wen Nimue zählen kann, das ist nämlich zumindest für die Zuschauer*innen sehr offenkundig: Die Figuren sind größtenteils, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen, geradezu comichaft dargestellt und lassen kaum Raum für Zweideutigkeiten. Hier der machtsüchtige, böse König, da die Hardliner von der Kirche und dann die junge, strahlende Retterin. Bei „Cursed“ passt dazwischen passt nur wenig. Es ist ein klassisches Gut gegen Böse-Szenario und das ist schade, gibt es doch einige Figuren, die – typisch Sagenverfilmung – auch mal ihr körperliches Auftreten verändern oder ganz banal und auch ohne Transformation mit einem Seitenwechsel liebäugeln.
Eben auch deswegen ist die spannendste Figur die des Merlins. Er ist auf der einen Seite mehr oder weniger wissentlich in Ungnade gefallen, gilt als Verräter, als jemand, der seine beste Zeit hinter sich hat. Er ist eine gebrochene Persönlichkeit mit Tiefgang, der sein Leid in Wein und Selbstzweifeln ertränkt. Von Anfang an merkt man: Hier ist eine Person an einem Scheideweg, hier baut sich etwas auf. Und tatsächlich: Bei Merlin sieht man eine der wenigen, kohärenten Entwicklungen in dieser Serie. Seine Handlungen legen nicht nur seine Beweggründe offen, sondern halten auch die ansonsten holprige Story ein wenig zusammen.
Das kann man über die anderen Figuren nicht immer sagen. Es ist geradezu eine Armada an kleinen Rollen, die man im Laufe der zehn Episoden zu Gesicht bekommt. Nicht alle sind sonderlich erinnerungswürdig, geschweige denn erfüllen alle auch nur irgendeine Aufgabe um die Handlung nach vorne zu bringen. Und manchmal sind sie dann weg und man fragt sich: Was wurde eigentlich aus, ach, wie hieß der nochmal?
Wichtig hingegen ist Arthur, auch weil sich zwischen ihm und Nimue schon vom ersten Moment an auch auf Liebesebene etwas ankündigt. Und da wären wir auch schon bei einem weiteren Negativaspekt: Die Szenen, in denen „Cursed“ seinen bereits erwähnten Coming-of-Age-Aspekt auslebt, reihen sich wenig bis gar nicht in die Spannungsabfolge der anderen Handlungsstränge ein. Oft wirkt es zudem extrem aufgesetzt, sich nun mit solch einem lieblichen Nebenschauplatz zu beschäftigen, folgen diese Momente doch zwangsläufig auf Szenen, in denen zuvor irgendjemand abgemetzelt oder zumindest Ähnliches gemacht wurde. „Cursed“ ist oft sehr brutal, blutrünstig und auch visuell – abgesehen von wenigen Ausnahmen, vor allem zu Anfang der Staffel – eher durch düstere Töne geprägt. Das sind eher Mood-Killer und auch sonst passt eine, zudem auch noch unnötig verkomplizierte, Teenie-Love eher weniger rein.
Im Genre des klassischen Mantel-und-Degen-Films – der ja zumindest teilweise hier als artverwandt angesehen werden könnte – gehört eine Liebesgeschichte oft dazu. Diese Gattung ist aber auch nicht immer so bierernst wie „Cursed“ und existiert heutzutage nicht zuletzt auch, vor allem dank solcher Filme wie „The Princess Bride“, nur noch als etwas, das man sich augenzwinkernd anschaut.
Ein Augenzwinkern geht „Cursed“ leider völlig ab, die Serie will alles abdecken und prescht dabei mit verbissenem Blick in sämtliche Genrerichtungen vor.
Dass sich dabei die Handlung auch noch öfter im Kreis dreht, ist da fast schon ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Suche nach Merlin wird oft durch rückblickende Erzählungen, die zwar manchmal wichtige Infos liefern, aber insgesamt etwas die Fahrt rausnehmen und einen primär auf unerwartete (und nicht selten unnötige) Wendungen vorbereiten, in die Länge gezogen. Währenddessen müssen die Suchenden auch noch ständig Angst haben, werden sie doch selbst von den Roten Paladinen, angeführt vom sogenannten „Weinenden Mönch“ (Daniel Sharman), verfolgt. Alle wollen das Schwert, keiner möchte, dass es dem Falschen in die Hände fällt – dafür ist die Macht, die davon ausgeht, zu groß.
Auch der Cast überzeugt nicht durchweg, auch wenn man die beiden wichtigsten Rollen wirklich positiv herausheben muss: Toll spielen Gustaf Skarsgård als Merlin und Katherine Langford in der Hauptrolle als Nimue, sie mit dem genau richtigen Maß an Unbeholfenheit, das man der noch nicht vollends ausgebildeten Revolutionsführerin zugesteht. Man darf hier von einer Idealbesetzung sprechen.
Dass in dieser fehlenden Perfektion, diesem nicht noch ausgereiften Umgang mit Macht eines oder einer „Auserwählten“ ein filmischer Reiz liegt, ist ja gemeinhin bekannt. Man denke nur an die ursprünglichen „Star Wars“-Filme rund um Luke Skywalker, der ebenfalls als junger Jedi noch einiges zu erlernen hatte.
Derartiges hätte man auch hier wunderbar darstellen können. „Cursed“ wurde eine Geschichte einer Emanzipation, einer Freiheitskämpferin, die der männerdominierten Kirche und dem männlichen König Uther den Kampf ansagt. Eine schöne „Female Empowerment“-Ausgangssituation, nur leider wirkt die Geschichte nicht selten aufgesetzt und Nimues Weg zur Ikone des Aufstands nicht immer schlüssig erklärt. Die Story verliert sich nämlich zu oft in sinnlosen Gemetzeln, seltsame animierten Szenen-Übergängen oder in ins Nichts führenden Dialogen. Man hätte sich einen durchdachteren Ansatz gewünscht. So ist aus „Cursed“ leider eine bedeutungsschwangere Serie geworden, die einen tollen Ansatz hatte, aber einfach nicht weiß was sie will. Es ist eine unausgegorene und unentschlossene Mischung aus Coming-of-Age-Drama und Fantasy-Historien-Action geworden, in die man nie so recht reinfindet und die noch nicht mal sonderlich Spaß macht.
P.S.: Katherine Langford hat für die Serie sogar ein Lied eingesungen:
„Cursed – Die Auserwählte“ ist seit dem 17. Juli 2020 auf Netflix verfügbar. Die erste Staffel hat zehn Folgen.