Smahing Punk Kings
Power statt Parolen: Das vielbeschworene Punk-Revival läßt die Krachmacher aus Kalifornien kalt. Richtig heiß werden Offspring erst auf der Bühne
Gaultier hätte an diesem Abend im Kölner ‚Hyde Park‘ sicherlich keine Freude gehabt: Für den avantgardistischen Mode-Maestro, der den Neo-Punk für den Laufsteg hoffähig gemacht hat, hätte das Offspring-Publikum wahrscheinlich zu wenig Stil und Klasse gehabt. Kein zerfetztes Edel-Leder, keine diamantbesetzten Sicherheitsnadeln durch Ohr und Wange, kein schrill gefärbter Irokesen-Schädel, kurz: Designer-Punk ist heute abend tabu. Statt dessen sind reichlich Bier und jede Menge Spaß-Kultur an der Abendordnung. Der ‚Hyde Park‘ platzt wirklich aus allen Nähten. Kein Wunder, steht doch das Offspring-Album ‚Smash‘ seit Monaten hoch in den deutschen Charts. Aber soll das wirklich ein Zeichen für das von allen Medien apostrophierte „Punk-Revial“ sein? Offspring-Sänger Dexter Holland, der hinter der Bühne auf seinen Auftritt wartet, kann es mittlerweile nicht mehr hören: „Quatsch, unser Publikum besteht hauptsächlich aus Kids. Und denen ist es wirklich scheißegal, ob es vor 19 Jahren Bands wie die Sex Pistols und Clash gegeben hat, die zufällig ähnliche Musik machten wie wir heute. Die Kids empfinden uns wirklich als neu und anders.“ Wer’s glaubt, hat mehr davon.
Drinnen tropft derweil das Kondenswasser von der Decke. Die beiden Opening Acts Guttermouth und Quicksand mühen sich redlich, doch dann heißt es: Bühne frei für Offspring. Ein kurzes Intro, bevor Dexter Hollands hohe, metallische Stimme die erste Hymne des Abends anschneidet: „Hey man you know l’m really okay, the gun in my hand will teil you the same“. Die Kids kennen die Zeilen und singen mit: ‚Bad Habit‘. Schon frißt ihnen das Publikum aus der Hand. Eine ‚Smash‘-Hymne nach der anderen jagt aus den Boxen — ‚Something To Believe‘, ‚Genocide‘, ‚Nitro‘.
Drummer Ron Welzy leistet Schwerstarbeit. Dexter Holland sucht derweil Kontakt zum Volk und stürzt sich in die tobenden Massen. Die Roadies haben alle Hände voll zu tun, den Sänger auf die Bühne zurückzuholen. Doch mitten im Gig läßt das Sperrfeuer plötzlich nach. Die Amerikaner spulen ihr Programm lustlos herunter. Selbst Gitarrist Noodles unterläßt das motorische Pogo-Gehüpfe.
Noch ehe jedoch Irritation aufgekommen kann, reißt sich das kalifornische Quartett am Riemen und drückt mit ‚Smash‘, ‚Gotta Get Away‘ und dem Ska-… ‚What Happenend To You‘ wieder auf die Tempo-Tube. Zu guter Letzt gibt’s natürlich noch die obligatorischen Schmankerl ‚Seif Esteem‘ und ‚Killboy Powerhead‘. Kurz darauf ist Schluß, und Offspring entlassen erschöpfte aber zufriedene Kids in die Nacht.
Wer bei Offspring geballte Wut und Frustration erwartet hatte, wurde enttäuscht. Zu keinem Zeitpunkt kam das Gefühl auf, einem musikalischen Manifest mit Signalcharakter beizuwohnen. Wer allerdings mit einem gutem, altmodischen Preis-Leistungsbewußtsein gekommen war, wurde von der Mischung aus Tempo und Energie gut bedient. Ein, zumindest in dieser Hinsicht, solides Konzert. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr.