Ski Aggu und Charlotte Stahl im Interview: „TikTok wird immer wichtiger“


Wir trafen den Rapper und die „Head of Music Operations“ bei TikTok Deutschland zu einem Gespräch.

August Jean Diederich alias Ski Aggu erschuf 2022 mit seiner Single „Party Sahne“ nicht nur einen riesigen Ohrwurm-Effekt, sondern schaffte dadurch auch seinen Durchbruch. Im selben Jahr folgte anschließend sein Debütalbum „2022 war film gewesen“, auf dem er Thematiken wie Herzschmerz, Liebe, aber auch sein Partyleben und Drogenkonsum zusammenbringt. Sein optisches Markenzeichen ist dabei ein Mix aus Vokuhila, Skibrille und Jogginganzug. Technisch schafft er es sich durch die Verbindung mehrerer Stile von der Deutschrap-Szene abzuheben: Bei ihm trifft das Genre auf elektronische Einflüsse, meistens kombiniert, meist mit einem Touch Humor. Musik macht der gebürtige Berliner allerdings nicht erst seit vergangenem Jahr. Bereits 2018 veröffentlichte Ski Aggu Songs auf Soundcloud, auf denen auch oftmals sein Freund Adrian Julius Tillmann alias Ritter Lean vertreten war. Wir durften uns mit dem Rapper treffen und mit ihm über seinen Erfolg, die Person hinter der Skibrille und sein kommendes „Denk mal drüber nach“-Tape sprechen. Anschließend sprachen wir gemeinsam mit Ski Aggu und Charlotte Stahl, Head of Music Operations bei TikTok, über die Plattform und wie diese die heutige Musikindustrie beeinflusst und verändert.

musikexpress.de: Es gibt viele unterschiedliche Beschreibungen zu deiner Musik. Meist wird sie als Techno-Deutschrap mit Partytexten ausgelegt. Wie siehst du das?

Ski Aggu: Also ich würde sagen, ich habe einfach meine eigene Art zu rappen und dazu gehören unterhaltsame Punchlines oder dass ich über das Feiern mit meinen Freunden in Berlin spreche. Wenn man es von Weitem betrachtet, passt es in die Sparte der Jungs von BHZ oder viko63. Aber natürlich habe ich einen eigenen Style in diesem New Wave Berlin Rap-Kontext. Und auch wenn meine Mucke einen Elektro-Einfluss hat, finde ich es falsch, sie als Techno zu bezeichnen — es ist eher elektronische Tanzmusik.

In einem Interview meintest du, dass du selbst keinen Deutschrap hörst. Gleichzeitig erklärst du in „Broker“, dich bereits im Jugendalter an Rap probiert zu haben. Wie bist du zum Genre gekommen?

Ski Aggu: Als Jugendlicher habe ich Rap gehört, es wurde mit der Zeit nur immer weniger. Und natürlich habe ich es dann auch irgendwann selbst ausprobiert. Ich glaube, jeder hatte mal kurz die Phase, wo man dachte, man könne rappen und es sei einfach. Man merkt dann aber recht schnell, dass es das nicht ist und man scheiße klingt (lacht). Meine ersten eigenen Texte waren ziemlich schlecht, aber irgendwann wurde ich besser und meine Freunde drängten mich dann etwas davon zu veröffentlichen. Ich habe schon immer Rap gemocht, nur finde ich andere Genre mittlerweile geiler.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

In „besoffen in den spiegel schauen“ sagst du: „Der Spiegel macht, was ich nicht mache, weil er meinen krassen Drogenkonsum reflektiert“. Was erkennst du noch in deinem Spiegelbild?

Tja, was antworte ich da jetzt drauf. Ich muss sagen, dass ich eigentlich ziemlich zufrieden bin, wenn ich in den Spiegel schaue. Natürlich mache ich nicht alles perfekt, aber ich sage mir selber auch, dass ich schon stolz auf mich sein kann — außerdem schaue ich mich auch gerne im Spiegel an (lacht).

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Im besagten Interview hast du dich selbst als „unprofessionell“ bezeichnet. Weshalb?

Das war auch bewusst. Jeder soll das so machen, wie er meint, aber ich finde es immer cooler, Dinge auf seine eigene Art umzusetzen — und nicht auf die der Industrie. Man merkt es den Artists auch an. Vielleicht ist die Mucke dann nicht die professionellste, aber dafür die authentischste. Und genau das probiere ich mir auch beizubehalten. Für mich fängt es schon bei Videodrehs an. Die meisten Artists mit meinem Erfolg geben einfach 20.000€ für eine Videoproduktion aus und es ist dann zwar ein mega hochwertiges Video, aber da fehlt der persönliche Touch. Für „mietfrei“ habe ich selbst das Skript geschrieben, die Regie geführt und das Video gecuttet — natürlich mithilfe von Freunden. Klar ist es mehr Arbeit, aber dafür fühle ich es am Ende mehr.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Du möchtest 2025 zum Bundeskanzler gewählt werden und stehst für Bierpreis-Bremse, einen Stopp der Döner-Inflation und bedingungsloses Grundeinkommen. Wo wäre deine Partei politisch positioniert?

Auf jeden Fall links von der Mitte. Ich bin zwar kein Kommunist, aber für einen sozialeren Kapitalismus. Das ist das Thema, das ich habe: die Sachen gerechter zu machen. Dennoch möchte ich nicht komplett links sagen. Sonst könnten sich komplett linke Leute von mir getriggert fühlen, weil ich zu unpolitische Mucke mache. Ich finde es auch immer schwierig, wenn manche dann doch behaupten, dass ich das täte. Hier und da habe ich vielleicht mal eine politische Line, aber die Probs in dem Bereich gehören anderen Rapper:innen, wie Apsilon.

Im Oktober erscheint dein „Denk mal darüber nach“-Tape. Inwiefern unterscheidet sich das Werk von deinem Debütalbum „2022 war film gewesen“?

Es ist eine Weiterentwicklung von mir, aber ich bin mir trotzdem treu geblieben. Derselbe Aggu, aber andere Tracks mit einem anderen Style. Das Tape geht gar nicht so in die Party-Richtung wie meine letzten Singles. Es werden ruhigere Nummern darauf sein, aber auch Reggaeton und Drum’n’Bass. Ich habe ein bisschen herumprobiert und gleichzeitig ist es dasselbe Konzept wie bei„2022 war film gewesen“: Alle Songs, die ich fühle, kommen unabhängig voneinander drauf. Vielleicht wird das jetzt auch Tradition, dass ich immer am Ende des Jahres ein Tape mit meinen Lieblingstracks herausbringe (lacht).

Kannst du uns ein noch unbekanntes Detail zum Tape verraten?

Ich kann sagen, wie der Name „Denk mal darüber nach“ entstanden ist: Ich war mit Adrian alias Ritter Jean auf Mallorca im Studio Mucke machen. Und nach einem langen Tag saufen und kiffen, haben wir abends einen richtig dummen Skitsong gemacht. Dabei sagten wir nach jeder dummen Line „denk mal darüber nach“ — so als sei es mega deep. Wir haben uns kaputtgelacht und es hat irgendwie gepasst. Irgendwo hat alles eine tiefere Ebene, über die man nachdenken könnte, aber natürlich ist alles immer mit einem Augenzwinkern gemeint. Deshalb heißt mein Tape jetzt so.

Ski Aggu ist nicht nur für seinen musikalischen Output bekannt. Er erschuf ebenfalls eine Figur von sich auf TikTok und schafft es nicht nur tausende Zuschauer:innen zu entertainen, sondern auch seine Musik zu promoten. Hierbei beeinflusst das eine das andere: Während der Rapper mit seinen Werken auf der Plattform bekannter wird, generiert er durch sie eine größere Reichweite. Wir durften uns das Phänomen TikTok meets Musikindustrie mit ihm genauer anschauen. Dazu haben wir auch mit Charlotte Stahl, Head of Music bei TikTok, gesprochen und erhielten so die Perspektive des Musikers und der Vertreterin von TikTok. Stahl arbeitete zunächst beim Label Sony, später wurde sie Teil des Musikteams bei YouTube, vor drei Jahren dann der Wechsel zu TikTok. Seit einigen Monaten übernimmt sie als Head of Music Operations die Führungsposition des Musikteams und kümmert sich unter anderem um die Zusammenarbeit zwischen Künstler:innen und der Plattform.

Eines deiner Ziele ist es, die Musikinhalte auf TikTok voranzutreiben. Was ist da genau dein Vorhaben?

Charlotte Stahl: Mein Ziel ist es, gemeinsam mit meinem Team, den ganzen Künstler:innen und der Musikbranche dabei zu helfen, das Potenzial von TikTok für sich zu nutzen. Uns geht es eher darum, dass die Künstler:innen, mit denen wir arbeiten und die motiviert sind, TikTok zu nutzen, alles haben, was sie dafür brauchen. Was schon wirklich sehr vielen dabei geholfen hat, ihre Karriere voranzutreiben.

Oft wird an TikTok kritisiert, dass es Menschen zu kommerziellen Produkten machen würde. Was sagt ihr zu Musiker:innen, die sich deswegen weigern, TikTok zu nutzen?

Ski Aggu: Ich finde es voll okay, wenn Leute keinen Bock darauf haben oder es als anstrengend empfinden. Trotzdem ist es irgendwo eine Chance, die man auslässt. Es bietet nämlich eine riesige Möglichkeit: Extrem viele Menschen in kürzester Zeit zu erreichen. Ich kann schon sagen, dass TikTok mir sehr geholfen hat, weil sich mein Stuff dadurch wie ein Lauffeuer verbreitet hat. Sollten sich Artists aber dazu entscheiden, die Plattform zu nutzen, finde ich es wichtig, dass sie ihren eigenen Weg dort finden und nicht auf Krampf Videos machen.

Charlotte Stahl: Ich sehe es ähnlich und es erfordert auch eine gewisse Offenheit. Ist sie aber da, dann kann mein Team die Artists dabei unterstützen, die ersten Schritte zu wagen. Und wir haben schon viele Künstler:innen durch die Phase von „Ich glaube es ist nichts für mich“ zu „Okay, jetzt verstehe ich, warum und wie ich auf TikTok stattfinden sollte“ begleitet.

Würdet ihr sagen, dass die Musikindustrie von TikTok beeinflusst wird? Und wenn ja, inwiefern?

Charlotte Stahl: Tatsächlich hat TikTok die Musikindustrie in den letzten Jahren extrem verändert und das in einer Art und Weise, die die Branche auch sehr demokratisiert hat. Die Barriere, Inhalte zu erstellenund eventuell damit auch erfolgreich zu sein, ist nun sehr niedrig. Es liegt viel Entscheidungskraft und Potenzial in den Händen der Künstler:innen und der Community. TikTok entscheidet nicht, was als nächstes viral geht oder was der nächste große Trend wird, sondern es kommt wirklich darauf an, welche Inhalte und Ideen zu TikTok gebracht werden und wie die Community reagiert.

Ski Aggu: Ich finde es sehr geil, wie TikTok die Musikindustrie beeinflusst, weil dadurch den Major Labels Macht entzogen wird. Künstler:innen können sich selbst vermarkten und groß rauskommen, ohne dafür auf ein Label angewiesen zu sein. Anstatt der Kritik, sollte TikTok dieses Lob noch mehr bekommen.

Wie würdet ihr die Musikindustrie heute mit Blick auf die Verflechtung zu TikTok beschreiben?

Ski Aggu: Die Musikindustrie ist dadurch sehr schnelllebig geworden. Es gibt viele Hypes, die kommen und gehen. Jeder kann jetzt Mucke machen und man erfährt schneller von ihnen, was ein riesiges Angebot mit sich bringt. Allerdings wird die Aufmerksamkeitsspanne der Konsument:innen immer geringer und vielleicht hört man dadurch irgendwann nur noch TikTok-Hits – gerade weil sich Musiker:innen gezwungen fühlen, solche Mucke zu machen, anstatt wie bei Pink Floyd dreiminütige Intros und Outros zu machen, in denen kaum Ton zu hören ist (lacht).

Charlotte Stahl: Ich würde auch sagen, gewisse Prozesse, die es vielleicht traditionell in der Musikindustrie gab, wurden durch Tools wie TikTok aufgebrochen. Die Mittel, die man heutzutage braucht, um in der Industrie teilzunehmen, sind anders. Dadurch kann man bestimmte Formate neu denken und sich von alteingesessenen Strukturen etwas befreien.

Wie wird sich eurer Meinung nach diese Verschmelzung in Zukunft weiterentwickeln?

Charlotte Stahl: Es ist ein konstanter Wandel und wir haben schon viel davon  mitbekommen. Es trauen sich immer mehr an die Plattform. Wir haben mittlerweile Legenden wie Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer und Otto Waalkes erreicht und ich glaube, dies wird sich auch in Zukunft noch fortsetzen.

Ski Aggu: Ich glaube, TikTok wird immer wichtiger. Man sieht es ja mittlerweile auch daran, dass Songs, die einen TikTok-Hype haben, auch in den Charts landen. So wie es früher Promo-Touren und CDs bei MediaMarkt gab, wird in Zukunft TikTok ein fester Bestandteil der Industrie werden.

Ski Aggu ft. $OHO BANI veröffentlichen ihre neue Single „Theater“