Singles
Bright Eyes. Echt. Ich weiß ja nicht. Manche Kollegen flippen total aus. Winkler und Lindemann zum Beispiel. Und der Hentschel vom „Rolling Stone“, dem neuerdings mit uns befreundeten Musikmagazin, sowieso. Der kommt bei uns, seinen neuen Freunden, manchmal vorbei. Er kann auf Zuruf einen fünfminütigen Lobgesang auf Shouter Conor Oberst und seine Mannen singen. Ja, singen. Denn das tut man mit Lobgesängen. Hentschel singt oder transkribiert aus dem Gehör Gitarrenakkorde. Er ist einer der wenigen Musikjournalisten, die diese Fähigkeit besitzen. Bright Eyes. Ich weiß, das ist total voll Indie. Und Indie ist gut. Und Schrammelgitarren und Herzenswärme auch. Und Zerbrechlichkeit. Zerrissenheit. Rührung. Lagerfeuer. Jungen mit Gitarren. Existenzialismus. Der schnellste Weg zum Ziel muss nicht immer der Interessanteste sein. So was steht manchmal als Sinnspruch auf Klopapier. „Lover I Don’t Have To Love“ (Wichita/Clearspot/Efa). Ja, das hat schon irgendwas. Es muss ja was dran sein an Bright Eyes. 1) ist es Hentschel-approved. 2) sprengen Bright Eyes-Kritiken immer den Rahmen. Die Fakten: Ein Song vom Album, zwei unveröffentlicht: „Amy In The White Coat“ plus Neil Youngs „Out On The Weekend“. Aber das ist wirklich richtig schlecht, oder, Joachim?
Du großer, alter Mann des Soul: Solomon Burke. Fast 200 Jahre alt ist er, und er war in den vergangenen Jahrhunderten auf legendären Schallplattenlabels wie Atlantic oder Chess als großer musikalischer Aufsehenerreger tätig. Und 2002 dann das Comeback-Album Don’t Give Up On Me. Davon gibt’s jetzt die Single „None Of Us Are Free“ (Fat Possum/Connected), die Solomon Burke zusammen mit den Blind Boys Of Alabama aufgenommen hat, plus „Don’t Give Up On Me in einer Live-Version sowie das unveröffentlichte „I Need A Holiday“. Nein, das ist kein Wer-hat-den-dicksten-Schwanz-Soul, sondern Soul-Soul. Soul mit Seele, schwitzend, gospelnd und sehr, sehr schön.
Jetzt könnte es der Einfachheit halber und um des lieben Überganges willen mit den Worten „Weniger schön ist hingegen …“ weitergehen. Aber das wäre zu billig. Fangen wir lieber mit der Buchstabenkombination „d-j-k-o-z-e“ an. DJ Koze ist ja normalerweise ein Guter. Ein sehr Guter sogar. Aber was er da mit International Pony veranstaltet, muss echt nicht sein. „Hangin‘ Around 02“ (Columbia/Sony Music), in Zusammenarbeit mit den schlimmen Stepchild aus Los Angeles aufgenommen und auf dieser Single zu diversen Remixes (Sebi von Deichkind und Curtis Icefield aka Jan Delay aka Jan Eißfeldt – auch zwei Gute normalerweise! und Instrumental- und Wasweißich-Versionen gepackt, ist ein sehr uninteressantes Lied. „HipHop meets Latin Carnival auf den Balearen“.
schreibt die Plattenfirma auf dem Beipackzettel. Und sie hat Recht. Sie hat ja leider Recht damit.
Nur Nörgelsingles diesen Monat? Liegt’s am lumbalen Nervenreizsyndrom im Rücken des Rezensenten, das ihm zur Zeit der Niederschrift das Rezensentenleben schwer macht und vielleicht die Sinne trübt? Oder ist das eine Realität, an der wir nicht vorbeikommen? Bands aus dem Belle & Sebastian-Umfeld schlecht zu finden ist bitter. Sehr bitter. Aber Looper waren -jetzt kommt’s – f-r-ü-h-e-r-a-u-c-hs-c-h-o-n-m-a-l-b-e-s-s-er – jetzt ist es raus. „She’s A Knife“ (Mute/Virgin) ist ein Stückchen triphoppender Elektro mit Frauengesängen (hier auch in den Ladytron- und Phipps-Mixes vorhanden), das wir in dieser Form nicht einmal von einer der zahlreichen Achtziger-Elektro-Revival-Bands vorgesetzt bekommen wollen, und von Stuart David aus dem Belle & Sebastian-Umfeld schon gar nicht.
Und doch noch eine Gute. Dank Low, dem famosen Slocore-Trio aus Duluth, Minnesota. Das Beste, Schönste, Tollste an „Canada“ (Rough Trade/Sanctuary/Zomba) ist die Coverversion: Alan Sparhawk und Kolleginnen spielen „Fearless“ von Pink Floyd nach. Woraus wir zwei Schlüsse ziehen können. Schluss 1: Low haben’s kapiert. Sie haben sich bei den beiden einzig probaten Covermöglichkeiten – a) total anders, b) 1:1-Kopie für b) entschieden – Möglichkeit c) lustige Punk-Rock-Version gilt nicht. Hut ab. Schluss 2: es scheint ja doch was an der These dran zu sein, die seit einem Jahr in diesen Räumen herumspukt und deren Aussage vom Schreiber dieser Zeilen bislang aufs Heftigste bestritten wurde: „Pink Floyd sind jetzt wieder cool“. Zumindest lassen Low kraft ihrer Coverversion ein bisschen von ihrer eigenen Coolness auf Pink Floyd rüberstrahlen.
Oh, oh. Da kommt wieder was auf uns zu. Und zwar t.A.T.u. Das sind Julia und Lena, zwei Minderjährige aus dem Land, das weit über seine Grenzen hinaus als Wiege der Popkultur bekannt ist: Russland. Moskau, um genau zu sein. t.A.T.u. sind die – vielleicht um ein paar Monde verspätete – russische Antwort auf die „Girl Power“. Ihr Debütalbum 200 KM/H IN THE WR0NG LANE (wird in Deutschland im März veröffentlicht) hat sich in Russland eine Million Mal verkauft. „All The Things She Said “ (Interscope/Universal) ist ein netter, mit dezenten Rockgitarren aufgeladener Dance-Pop-Schlager der Art, wie ihn die Sugababes als B-Seite der sechsten Single aus ihrem jeweils neuesten Albums rausbringen würden. Wir prognostizieren: Nummer 1 in Deutschland, Teenie-Presse-Redakteurlnnen mit feuchten Höschen. Geschichten der Alle-Achtung!-16-Jahre-alt-und-wissen-schon-ganz-genauwas-sie-wollen- und Respekt!-die-kommen-aus-Russland-und-sind-trotzdem-Popstars-Art.