Schallplatten-Herstellerin Silke Maurer im Gespräch: „Ich liebe schon den Geruch von Vinyl“
Wir haben mit der „Handle With Care“-Gründerin Silke Maurer über ihre Liebe zum Vinyl, die guten alten Neunziger, eine nachhaltig wichtige Begegnung mit DJ Hell sowie über das Comeback der Schallplatte gesprochen.
Wer glaubt, dass Schallplatten für Sammler*innen bestimmt sind und wie Schreibmaschinen oder Bücher der Vergangenheit angehören, liegt falsch. Das Vinyl-Comeback begann vor rund vier Jahren. Die Coronapandemie gab, positiv formuliert, vielen Musiker*innen zunehmend Zeit und Freizeit, sich auf Wesentliches zu besinnen. Das spürt auch Silke Maurer, Inhaberin der 1990 gegründeten Berliner Vinyl-Produktionsfirma „Handle With Care“. Wir sprachen mit ihr über eine schicksalhafte Begegnung mit DJ Hell (die wie eine Szene aus Sven Regeners Roman „Magical Mystery“ klingt), ihre Liebe zur Musik, ihren Respekt vor Musiker*innen und DJs sowie über besonders kuriose Kund*innen.
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Musikexpress.de: Silke, Du stellst seit 30 Jahren Schallplatten her. Wie hast Du in die Musikbranche gefunden?
Silke Maurer: Das ist eine lustige Geschichte. Ich habe – erst als Sekretärin, später in der Werbeabteilung – für einen großen Musikvertrieb in Frankfurt gearbeitet und wollte damals schon eine eigene Firma gründen. Ein Unternehmen, das Dienstleistungen für Musiker auf der ganzen Welt anbietet. Musiker, die ihre Songs auf Schallplatte pressen, aber nicht direkt mit dem Presswerk kommunizieren wollen. Die jemanden dazwischen brauchen, der ihre Bedürfnisse versteht. So wurde die Idee geboren.
Warum hast Du Dein Unternehmen „Handle With Care“ genannt?
Ich fuhr mit dem bekannten Berliner Produzenten Zip vom Label Perlon von Frankfurt nach Berlin und erzählte ihm von dieser Idee. Ihm gefiel sie. Als nächstes haben wir nach einem Namen gesucht, der reflektieren muss, dass wir uns um unsere Kunden kümmern und während des gesamten Produktionsprozesses für sie da sind. Und plötzlich überholt uns ein Lastwagen mit einem riesigen Plastikschild mit der Aufschrift „Handle With Care“! Ich weiß nicht, was in dem Truck war, aber Zip und ich dachten: Was für ein cooler Name! Er sagte genau das aus, was ich bieten wollte. Ich wollte mich um alles kümmern, was Musiker brauchen. Für mich sind Musiker kreative Menschen, nicht nur Sänger. Sie wollen ihre vielen kreativen Ideen verwirklichen. Sie sind Künstler. Der Name passt zu allem, wofür wir stehen.
Warum ist Vinyl so wichtig für Dich?
Vinyl ist etwas, das die Leute immer noch mögen – vom Look bis zum Klang. Vinyl klingt einfach anders als eine CD oder Musik, die auf dem Telefon abgespielt wird. Für viele meiner Kunden ist die Produktion von Vinyl eine gute Ergänzung. Für Vinyl wird es immer eine Nische geben, insbesondere für Sammler. Musik auf Vinyl kann in deinem Regal stehen mit einem schönen Cover. Dateien und Streams können das nicht.
https://www.facebook.com/handlewithcare.manufacturing/videos/1027589627694581
Stimmt es, dass die Verkaufszahlen jüngst weiter stiegen?
Nicht wirklich. Vinyl hatte sein Comeback vor vier Jahren. Als niemand damit gerechnet hat. Niemand weiß wieso und warum. Es war verrückt. Vor einigen Jahren noch konnte man eine Schallplatte vom Studio bis zur fertigen Pressung innerhalb von drei bis vier Wochen in den Hand halten. Heute sprechen wir von Produktionszeiten von fast drei Monaten, so groß ist die Nachfrage. Die ganze Welt scheint wieder an Schallplatten interessiert zu sein. Firmen fingen an, wieder Plattenspieler herzustellen. Sogar Leute, die keine DJs waren, fingen an, Platten wie wertvolle Bücher zu sammeln. Heute, vier Jahre später, sind wir immer noch auf diesem Niveau.
Also kein Corona-Aufschwung?
Für „Handle With Care“ hatte Corona einen seltsamen Effekt. Der erste Monat war sehr, sehr ruhig, weil die Leute nicht wussten, was sie tun sollten. Aber danach, besonders jetzt, haben sie Zeit sich dem Produzieren zu widmen. Viele unserer Kunden, und ich spreche über die unabhängige Szene, haben uns gesagt, wie großartig das ist. Sie bringen ihre Musik lieber auf Vinyl heraus. Vielleicht nicht, um große Umsätze zu machen, wie es Jahre zuvor war, sondern für sich selbst, um sich einen Namen zu machen. Einige verdienen damit auch immer noch ein bisschen Geld.
Hast Du gemerkt, dass Musiker*innen plötzlich wieder mehr Zeit für das Wesentliche hatten?
Ja. Sie kamen mit neuen Ideen zu uns. Es ist wie alles im Leben, wenn man irgendwohin eilt, um etwas zu tun. Wenn du ein wirklich schönes Lied unter Druck schreiben möchtest, kommt möglicherweise nichts dabei heraus. Wenn man Zeit hat, vielleicht schon. Das gilt für uns alle. Corona hatte gute und schlechte Auswirkungen. Wir mussten langsamer fahren, anstatt wie verrückt zu eilen. Musiker haben mir erzählt, dass sie plötzlich wieder Zeit hatten, sich ans Klavier zu setzen. Dinge, die sie vorher mit dem Computer gemacht haben. Jetzt hatten sie Zeit, Saxophon zu spielen. Dies hat sich auch im Internet niedergeschlagen. Musiker knüpften neue Verbindungen, kamen auf neue Ideen.