Sebastian Horsley ist tot
Der Coolste aller Dandys wurde leblos in seiner Londoner Wohnung aufgefunden. Als Todesursache wird eine Drogenüberdosis vermutet
„Die beste Rache ist das gute Leben“ untertitelte Sebastian Horsley ein Kapitel seiner Autobiographie „Dandy in der Unterwelt“. Und gelebt hat er, wie im Exzess. Am Donnerstag wurde der Brite tot in seiner Wohnung aufgefunden. Die Polizei geht von einer Drogenüberdosis als Todesursache aus. Horsley wurde 47 Jahre alt.Kennen musste man Sebastian Horsley hierzulande zwar nicht zwangsweise. Seine Autobiografie „Dandy in der Unterwelt“ (erschienen bei Blumenbar) aber sollte Pflichtlektüre sein für jeden Hedonisten. Darin erzählt Horsley, der vormals Kolumnen für den „Independent“ schrieb, von seinen Erfahrungen als Callboy, von Crack, Heroin, Kunst und Sex. Hierzulande ist der Brite, dem im vergangenen Jahr die Einreise in die USA wegen „Moralischer Verkommenheit“ verweigert wurde, nahezu unbekannt. Das wird sich hoffentlich bald ändern. Dabei ist es gar nicht so sehr seine Autobiografie, die ihn so besonders macht (diese ist so unvorhersehbar dann doch nicht: Reicher Berufssohn rebelliert gegen Eltern, zieht von Glasgow nach London, rein in die Punkszene, immer genug Geld, um als „Künstler“ abzuhängen). Es ist vielmehr Horsleys so unfassbar reiche Sprache, die einen von der ersten bis zur letzten Seite fesselte: diese Mischung aus Selbstverachtung, bitterem Humor, Obszönität und Arroganz. Und natürlich die Tatsache, dass Horsley hervorragend über Kleidung doziert, und, wie sein Dandy-Vorbild Oscar Wilde, unverschämte Aphorismen abfeuerte.„Dandy“ funktioniert wie ein Ratgeber für Hedonisten – die mit Stil ins Verderben rennen. So Vieles lässt sich zitieren: „Der Krach in meinem Kopf begann schon Fremde zu stören“; „Ich glaube nicht an das Leben vor dem Tod“; „Gott hat die Homosexualität erfunden, um sicherzustellen, dass die wahrhaft Begabten nicht mit Bälgern belastet werden“; und, am besten: „Eines der vielen Probleme des Alterns besteht darin, dass es immer schwieriger wird, eine herausragende Persönlichkeit der Geschichte zu finden, die noch nichts erreicht hatte, ehe sie so alt war, wie man selber gerade ist“. Dieser eher beiläufig erzählte Gedanke zeigt auch, wie tragisch Horsleys Sucht nach Anerkennung war: Es muss immer härter weitergehen.Würde er noch einmal leben, sagte Horsley in seiner Autobiographie, würde er wieder Crack und Heroin nehmen – nur noch früher und noch mehr davon. Bewundern musste man ihn für sein Leben nicht. Wie einer so werden konnte, erzählt das Buch auch nicht – nur vom diffusen Motiv eines jeden Künstlers: Schau her, Mama! Aber durch sein öffentlich zelebriertes Scheitern wird der Menschenhasser doch noch zum Vorbild: als Mahner.
– 21.06.2010