Interview

Search Yiu: „Mir hätte es früher sehr geholfen, wenn Künstler*innen offen über ihre Krankheiten reden“


Search Yius Future-Pop ist schon jetzt Teil der Zukunft einer Musik, die Schubladen Traditionalist*innen und der Presse überlässt. Ein Gespräch über Mental Illness, DIY-Attitüde und Fortnite-Zocken mit El Hotzo.

Die musikalische Sozialisation des Wahl-Berliner Search Yiu umfasst Timberland, D12 und die G-Unit. Sören Hochberg, wie der Künstler eigentlich heißt, wuchs nicht nur wie die mittlerweile aufgelöste Indierock-Band Sizarr und Drangsal im beschaulichen Landau in Rheinland-Pfalz auf, der Freundeskreis von früher ist bis heute essentiell für ihn. Auf seinem nun erscheinendem zweiten Album SY ignoriert Search Yiu nicht nur weiterhin die üblichen hetero-normativen gesellschaftlichen Plattitüden, auch den Rap selbst lässt er hinter sich.

Sein Future-Pop ist schon jetzt Teil der Zukunft einer Musik, die Schubladen Traditionalist*innen und der Presse überlässt. Ein Gespräch über Mental Illness, DIY-Attitüde und Fortnite-Zocken mit El Hotzo.

5 Fragen, 5 Antworten: Search Yiu über sein Debütalbum „ALLES WAS ICH HABE“

Musikexpress.de: Nach ALLES WAS ICH HABE (2019) erscheint nun Dein zweites Album. Wer aufmerksam Liner Notes liest, hat Dich allerdings schon auf Caspers HINTERLAND (2013) entdeckt.

Search Yiu: Für das Album habe ich nur Backing Vocals beigesteuert, wie übrigens viele andere auch, Max Richard Leßmann, Fabian Altstötter, sogar der Journalist und Autor Jan Wehn ist auf einem Track zu hören. Wir hielten uns damals bei Markus Ganter (Produzent, Anm.) im Studio auf, man kannte sich und so kam es ganz beiläufig zu den Aufnahmen.

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Mit Fabian Altstötter verbindet Dich eine Freundschaft seit frühen Kindheitstagen und auch Drangsal kennst Du noch aus Rheinland-Pfalz und hast früher in Leipzig mit ihm zusammen gewohnt. Musik gemacht habt Ihr aber nicht, oder?

Nicht wirklich. Fabian und die anderen der mittlerweile aufgelösten Band Sizarr kenne ich schon sehr lange und Drangsal stammt auch aus der Gegend, in der wir aufwuchsen. Wir und ein paar andere bildeten etwa um die Zeit herum als HINTERLAND erschien ein Kollektiv Namens Ffriends Fforever, es kam allerdings nur zu einem Auftritt (lacht). Dass wir uns alle kennen und sich unsere Wege immer wieder kreuzen, ist aber natürlich sehr geil. Diese und andere, später entstandene Freundschaften, sind sehr wichtig für mich.

Bis zu dem Debütalbum sollten allerdings noch ein paar Jahre vergehen. Wie verlief Deine musikalische Karriere in den folgenden Jahren?

Ich war zuerst Teil eines Duos, das auch recht erfolgreich lief. Wir spielten unter anderem beim Melt! Festival, da war ich etwa 20. Wir haben uns dann allerdings getrennt, weil wir die berühmten unterschiedlichen Vorstellungen vom weiteren musikalischen Weg des Projektes hatten. Ich für meinen Teil habe dann alles auf Null gesetzt und unter Search Yiu neu angefangen.

Abschiede und Neuanfänge sind immer wiederkehrende Motive der Songs Deines neuen Albums SY, die überwiegend von Freundschaften und Beziehungen handeln. Nichts Ungewöhnliches im Pop. Dass Du darüber hinaus den Themenkomplex Mental Illness in Deiner Musik behandelst, allerdings schon.

Das hat natürlich eine gewisse Zeit gedauert, bis ich so darüber sprechen konnte, wie ich es jetzt kann. Mittlerweile habe ich gelernt, dass diese Dinge zu mir gehören, dass sie mich zu der Person machen, die ich bin. Die Musik ist für mich ganz klar mittlerweile auch Selbsttherapie, auch wenn das wahrscheinlich furchtbar abgedroschen klingt. Sie hilft mir mit meiner Persönlichkeitsstörung umzugehen, aber natürlich nehme ich auch konventionelle Therapien in Anspruch.

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Physische Krankheiten und was mit ihnen einhergeht sind auch Gegenstand und Namensgeber*in Deines Podcasts „Mental Mall“, den Du zusammen mit Mia Morgan hostest. Auch die Autorin und ehemalige Splash!-Mag Chefredakteurin Miriam Davoudvandi widmet sich in einem Podcast diesen Themen, die österreichische Künstlerin KeKe geht ebenfalls offen mit ihren Depressionen um. Wie bewertest Du diese Veränderung in der Pop-Welt?

Für mich als Betroffener war es immer wichtig, dass physische Krankheiten ernst genommen, das heisst anerkannt und Menschen die unter diesen leiden nicht stigmatisiert werden. Vor allem aber auch, dass ich weiß, dass ich nicht alleine bin. Das war früher nicht der Fall und diese Erfahrungen haben alle gemacht, mit denen ich mich darüber unterhalten habe. Als ich jünger war, gab es auch keine Musik, die diese Themen behandelt hat. Wenn Künstler*innen und andere Personen die in der Öffentlichkeit stehen, ihre Erkrankungen und was damit einhergeht thematisieren und das dann auch nachhaltig tun, kann ich das nur begrüßen. Mir hätte das früher sehr geholfen.

„Ohne Kunst würden wir alle krank werden“

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen bergen für Menschen wie Dich ja noch einmal andere Gefahren. Gab es Momente, in denen Du Angst hattest, das etwas Aufgebautes hinsichtlich Therapie-Erfolgen und ähnlichem wieder zerstört wird oder hast Du tatsächlich sogar einen Schritt zurück gehen müssen?

Ich hatte anfangs schon Angst, dass das viele Zuhause-und-allein-sein-müssen mich wieder zurück wirft. Glücklicherweise habe ich das bisher ganz gut hinbekommen, denn ich habe sehr viel virtuellen Kontakt zu Leuten, telefoniere oft. Mit Drangsal, Max Rieger, El Hotzo und Mia haben wir einen Fortnite-Gruppe, mit der wir alle zwei Tage zocken! (lacht)

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Und künstlerisch?

Glücklicherweise habe ich kurz vorher einen Vertragsdeal unterzeichnet, das hat mich finanziell aufgefangen. Was die Songs angeht, da gibt es zwei, drei mit denen ich nicht mehr zufrieden war, von Corona selbst ist der Schreibprozess allerdings nicht betroffen gewesen. Natürlich hätte ich Bock zu touren, vielleicht klappt es nächstes Jahr – ich lasse mich bis jetzt zumindest nicht davon runterziehen, dass das im Moment nicht möglich ist und versuche die Zeit so gut es geht zu nutzen und Alternativen zu entwickeln, wie das Filmen einer Live-Session oder einen Pop Up-Store aufzuziehen, sollte zumindest das wieder erlaubt sein.

Da Du Deinen Verlagsdeal ansprichst: Du veröffentlichst Dein Album nicht über ein Label, sondern bringst es selbst heraus?

Beim physischen Vertrieb werde ich unterstützt, aber über eine Label erscheint SY nicht. Das selbst zu machen war allerdings nicht geplant, die Möglichkeiten die da waren haben nur nicht so recht gepasst.

Dennoch übernimmst Du viel selbst, beispielsweise die Produktion.

Ich mag es einfach, von möglichst vielen Schritten eines solchen Prozesses eine gewisse Grund-Ahnung zu haben und wenn beispielsweise der Beat passt den ich gebaut habe, dann nehme ich den auch. Wenn nicht, dann nicht. Ich versuche nicht zwanghaft etwas passend zu machen und bin immer offen anderen Leuten und deren Arbeit gegenüber. Dass ich überhaupt Beats selbst mache, kommt noch aus der Zeit, als ich Produzent werden wollte. Als Jugendlicher war ich großer Timbaland-Fan, ich habe mir CDs anhand seiner Produktionen gekauft und angefangen Beats zu programmieren.

Search Yius neues Album SY erscheint am 19. Februar 2021.

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