SCHEISS SCHEISSE-FINDEN


Keine Ahnung, woher der Impuls kommt, etwas unmittelbar scheiße zu finden. Und zwar aus Prinzip. Wobei das Prinzip da auch schon eine wertende Kategorisierung darstellt: Man ist ja selten im Prinzip für etwas, aber immer gern im Prinzip gegen etwas. Prinzipien wiederum setzen eine gewisse Verbohrtheit und Beratungsresistenz voraus. Prinzipien sind nicht mal wirklich inhaltlich begründbar, zumal wenn es erst mal bloß um eine reine Geschmacksfrage geht: Ich fand Arcade Fire von Anfang an scheiße, kann aber leider nicht genau sagen, warum.

Ich hab diese Band ignoriert, solange es ging. Was spätestens ab THE SUBURBS echt schwer war. Weil fast alle meine Freunde Arcade Fire super finden, und meine Freunde haben fast alle einen super Musikgeschmack. Ein paar dieser Freunde, diejenigen natürlich, die Arcade Fire von Anfang an toll gefunden hatten, sagten zwar, dass mit THE SUBURBS im Grunde schon der Abstieg der Band begonnen habe. Doch inhaltlich wirklich begründen konnten auch die das nicht. Und sie gaben sogar zu, dass ihre Zweifel bezüglich THE SUBURBS auch daher rühren könnten, dass Arcade Fire mit diesem Album plötzlich jeder gut fand (außer mir): typischer Fall von Ich-hab-die-Band-als-Erster-entdeckt. Ausverkaufsvorwürfe sind immer und unbedingt noch beschissener, als eine Band einfach von Anfang an scheiße zu finden.

Reflektor“ also, die erste Single vom neuen Arcade-Fire-Album: acht Minuten Indie-Disco, James Murphy produziert, David Bowie singt mit, Anton Corbijn dreht das Video, und fast alle Freunde schreien auf Facebook hurra. Weil es im Text angeblich um Platons Höhlengleichnis und um den Narziss-Mythos geht, auf heutige soziale Medien angewandt, Facebook womöglich, es also eigentlich um die Vereinsamung des dauerkommunizierenden Menschen geht. Klingt toll. Als Konzept. Leider nicht als Lied.Keine Ahnung, woher der Impuls kommt, aber langsam fühl ich mich scheiße beim Arcade-Fire-Scheißefinden.