Ryan Adams: Georg-Elser-Halle, München


Der freudig begrüßte Retter des Rock auf seiner ersten Deutschlandtournee: Nach drei Konzerten hinterlässt Ryan Adams nicht nur beglückte Fans, sondern auch reichlich verbrannte Erde

Eine denkwürdige Nacht. Die Schweden Martin Hederos und Mattias HeUberg, persönliche Favoriten des Headliners, eröffnen mit bekifften Balladen; Iggys „No Fun“. Marleys „Concrete Jungle“ und Parsons‘ „She“, viel Klavier, viel Gefühl, Kerzenlicht für die Ohren. Und dann er: The next big thing, Ryan Adams, und seine hochkarätige Hippieband, The Sweetheart Revolution, trotten auf die Bühne. Es beginnt mit dem „Rescue Blues“ und der symbolischen Zeile „Everybody wants you to be special“. Gut 120 Minuten später endet es mit ratlosen Gesichtern im grellen Hallenlicht. Dazwischen ein Konzert, das, nun ja, eigentlich keins ist, zumindest nicht im Sinne einer dramaturgischen Aufführung für zahlendes Publikum. Zu konsequent ignoriert Adams die Kundschaft und die etablierten Rituale einer solchen Festivität. Er scheint nur für sich selbst zu spielen, vielleicht noch für seine Band (obwohl über weite Strecken auch gegen sie). Ein Frontmann mit einem Ego, größer als Rock am Ring; einer, der zwischen den Songs minutenlang mit den Musikern palavert; der zur Begrüßung herzhaft in die Menge spuckt, so bedröhnt, dass er stellenweise weder mental noch motorisch Herr seiner selbst zu sein scheint, gleichzeitig aber mit traumwandlerischer Sicherheit immer wieder den großen Gefühls-Bang auslöst. Der Monumentales schafft – und monumental nervt. In der einen Sekunde ist Ryan Adams groß wie Elvis, in der nächsten ein namenloser Säufer.

Adams brennt, scheint an sich selbst zu krepieren, brillant und doch ein Arschloch. Liefert Grandioses wie „Nobody Girl“, taucht die Halle in ein Inferno aus Klang, Emotion und offenen Mäulern, ist Racheengel und Heiliger. Dann Publikumsbeschimpfungen, amateurhaftes Gegniedel, offener Streit auf der Bühne. Zwischendurch ein entrücktes „Oh My Sweet Carolina“ und mit „Brown Sugar“ ein derber Gruß an die spirituellen Väter Mick’n’Keef. Später wälzt sich Adams auf dem Boden – keine Spur von Grandezza, stattdessen Leere im Blick. Kurz vor dem Ende schwankt er rüber zu Brad Rice, unterbricht mit fahriger Geste dessen Gitarren-Intro, lässt den Mann stehen wie einen Oorftrottel. Jeder andere würde ihm dafür die Gitarre ins Gesicht prügeln, Rice zuckt nur die schmalen Schultern. Aus dem Hallendunkel vielfache „Der-macht’s-nicht-mehr-lange“-Blicke, dazu „Motherfucker“-Zwischenrufe. Mancher hält den selbstzerstörerischen Bühnenkrampf da oben für coole Pose. Das Ende: Die Band ist schon längst weg, Adams torkelt an den Bühnenrand, beharkt sich mit erbosten Zwischenrufern. Stinkefinger. Abgang. Gruselig, beängstigend. Und doch auch phantastisch wie keiner sonst derzeit.

Nach ähnlichen Auftritten in Frankfurt und Hamburg dürfte sich Adams jede Menge Freunde verprellt haben – so what, er wird neue finden. Vielleicht sagt ihm nur mal einer, dass ein klein wenig mehr Dienst am Kunden nicht gleich uncool wäre. Denn Manchen bedeuten seine Songs verdammt viel.

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