Rufus Wainwright: Get Wainwright!


Berlin, Volksbühne Im Funkelanzug, in Lederhosen, Bademantel oder Nylonstrümpfen: Rufus is god. Äh: good. Nein, doch: god.

Da fährt man nach Berlin, um den Faschingstrachtlern auf dem Oktoberfest zu entfliehen, und dann steht da ein Typ in Lederhosen auf der Bühne! Aber erstens hat der Rufus, der Saupreiß‘, der kanadische, mehr Trachtenbewusstsein im Leib als die ganze Münchner Landhausmischpoke zusammen („those are Austrian pants“, erklärt er kundig den speziellen Look des knielangen Beinkleids, mit dem er – nach dem ersten Teil im Funkelanzug – zur zweiten Hälfte des Sets zurückkehrt). Und zweitens bringt er die nötige campness mit, um so ein Objekt mit Würde zu tragen. Die Welt hat lange genug warten müssen, um mal einen großen Performer einen Gershwin-Song in Lederhosen vortragen zu sehen. Rufus singt „A Foggy Day“ aus dem Judy-Garland-Special, mit dem er letztes Jahr aufgetreten ist und das er, wie er dazu sagt, nicht noch einmal spielen wird, „otherwise I will turn into her. Which is not good.“

Im Übrigen ist es egal, was Rufus Wainwright anhat; der Honigstimmenmann könnte seine Songs – es gibt Stücke aus allen Alben – auch im Bademantel singen, man wäre betört. Die perfekt aufspielende Band ist eigentlich auch ein Chor (siebenfacher makelloser Harmoniegesang!) und eigentlich auch ein Orchester, setzt Akzente bei verhalten Intensivem wie „The Art Teacher“ und „Leaving For Paris“ und schraubt sich in dramatische Pomp-Crescendi bei furchtlos Überbordendem wie „Between My Legs“, „Slideshow“ und „Do I Disappoint You“. Während Rufus, der hier ja ein paar Monate gelebt hat, die Berlin-Show aufzieht wie ein kleines Heimspiel im Freundeskreis, plaudert, schäkert und jenen Souveränität fordernden Grat entlangtanzt zwischen Entertainment, Albernheit und großer Kunst von herzwringender emotionaler Aufrichtigkeit.

Nach anderthalb Stunden großer Show tut Rufus genau das: Er singt im Bademantel. Bei den Zugaben „Danny Boy“ und „Cigarettes and Chocolate Milk“ sitzt er allein im weißen Frottee am Flügel – und dann fällt der Bademantel, und Rufus verwandelt sich doch noch in Judy Garland. Im kessen Beinebis-zum-Hals~Aufzug der G. aus dem Musical „Summer Stock“ und zu Instrumental-Playback (die Band muss Choreographie tanzen) singt und swingt er „Get Happy“ – die Volksbühne liegt ihm zu Füßen. Als entspanntes Finale dann, vier Schrummgitarren hoch: der „Gay Messiah“. Er ist mal wieder herabgestiegen.

www.rufuswainwright.com