Interview

Rückbank vs. Vordersitz: Bartees Strange im Interview

Bartees Strange im Gespräch über Jack Antonoff, angstmachende Lebensfragen und das Erlangen von Kontrolle.


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Vor gerade mal einer Handvoll Leute spielte Bartees Strange im Sommer 2022 im Berliner Club Badehaus. Es war ein kleines Konzert mit einer grandiosen Bühnenpräsenz. Was hat sich seitdem für ihn verändert? „Es ist viel passiert, aber eigentlich nichts Verrücktes. Ich habe ein Album geschrieben, ich war mit The National auf Tour. Wir waren auch in Berlin, aber in einem deutlich größeren Venue.“

Keine Zurückhaltung

In den USA herrscht schon seit Längerem ein kleiner Hype um den Indie-Künstler aus Baltimore. Er tourte mit Japanese Breakfast, Phoebe Bridgers und Lucy Dacus. Seine famous Freundschaften thematisierte er im Song „Co-Signs“: „I’m in L.A, I’m with Phoebe, I’m a genius, damn / I’m in Chitown, I’m with Lucy, I just got the stamp / Hit up Courtney [Barnett; Anm.], that’s my Aussie“, rappt er darin. Zurückhaltung ist nicht gerade das Thema von Strange. Oder doch? „Natürlich will ich einen Grammy gewinnen. Wenn es nicht klappt, heißt das aber auch nicht, dass ich gescheitert bin“, sagt er im Interview.

Bei seinem Album HORROR stehen die Sterne ohnehin besser für den großen Durchbruch. An Bord ist niemand Geringeres als der Grammy-Garant Jack Antonoff. Die beiden freundeten sich eher zufällig an: „Ich habe ihn in der Food-Area eines Festivals in Washington D.C. kennengelernt. Er kam einfach zu mir rüber und meinte, dass er meine Musik mag. Ich war schockiert, dass er mich überhaupt kannte. Er hat mich dann in sein Studio eingeladen, ich habe ihm meine neuen Tracks vorgespielt. Wir haben gemeinsam am Bleachers-Album gearbeitet und uns einfach Musik hin- und hergeschickt. Ich bin so dankbar für seine Großzügigkeit und sein Talent, ich bin nicht mal annähernd so groß wie viele seiner Künstler:innen.“ Auf dem letzten Bleachers-Album trat Strange zudem als Feature-Gast auf, im Video zu „Alma Mater“ spielte er an der Seite von Lana Del Rey und Clairo.

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Intime Songs, die man trotzdem ganz laut aufdrehen sollte

Nun ist sein drittes Album HORROR. Es thematisiert die persönlichen Ängste des Künstlers. „Das Album handelt von Dingen, die mir Angst machen. Nicht von Monstern unterm Bett, sondern von Lebensfragen. Es macht mir auch Angst, so ehrlich zu sein.“ Zu seinen Ängsten gehören das Älterwerden und die Suche nach einem Zuhause. Strange wurde als Sohn eines Militäringenieurs geboren, lebte als Kind in Deutschland, Großbritannien und Grönland. Der am Blues angelehnte Slow-Rock-Song „Baltimore“ thematisiert die verschiedenen Stationen seines Lebens. „Ich habe mich schon immer gefragt, wo ich ein sicheres und günstiges Leben als Schwarzer, queerer Mann haben kann. Es gibt tolle Orte in den USA wie New York, Los Angeles oder Chicago. Mit diesen Städten hat es bei mir aber irgendwie nie geklappt. Bei Baltimore hat es sich sofort richtig angefühlt.“

Musikalisch ist sein Schaffen dabei breit gefächert: „Wants Needs“ huldigt dem Americana, während „Lovers“ als housige Clubnummer daherkommt. In „17“ widmet er sich seinen Gefühlen zu Teenagerzeiten. „The first time I felt impending doom / was realizing I’m too Black for the room / I was pushing it down just for you, for you“, singt er darin. Dabei wechselt er auch mal in die Kopfstimme, was dem Track eine intime Note verleiht, bevor er in eine dynamische Rockhymne mündet.

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In jedem Fall verfestigt sich der Eindruck, dass Bartees Strange sich erfolgreich früheren Ängsten gestellt hat. „Das Album endet mit ‚Backseat Lover‘. Ich singe davon, dass ich einst bloß auf dem Rücksitz saß, aber jetzt mehr Kontrolle haben möchte. So kommt man aus der Hoffnungslosigkeit heraus“, erklärt er abschließend. HORROR ist definitiv ein frühes Highlight des Jahres. Dieser Sound gehört auf die großen Bühnen.

Interview / Text von: Louisa Zimmer