Rory Gallagher


Seit rund einem Jahr hat man von Rory Gallagher nichts mehr gehört. Zuletzt sichtbar war er bei uns auf einigen Sommerfestivals anno 77, und seine LP "Calling Card" ist auch schon recht betagt. Jüngst sickerte durch, Rory habe seine Band aufgelöst.

Insgesamt also Grund genug für uns, mal zu schauen, wie’s dem irischen Lockenkopf geht.

Zunächst ging’s Rory Gallagher mal schlecht. Ziemlich besoffen hockte ei nämlich in einem Sessel in Dieter Dierks‘ Studio in Stommeln bei Köln, seit zwei Tage ohne richtigen Schlaf und außerdem ermattet von einer vierstündigen Interview-Session. Gallagher’s Plattenfirma hatte ins Studio geladen, um Rory’sneue LP vorzustellen (siehe Longplayers) und Journalisten Gelegenheit zu bieten, eben dazu vorwitzige Fragen zu stellen. Zwei Franzosen hatten Rory vorher eine volle Stunde lang genervt, mit Fragen im Stile von: „Wie hast du bei Taste deine Gitarrre gestimmt?“Als letzter in der Reihe traf ich demnach auf einen Gallagher, der ohne entsprechende Fragen sofort sein Album zu loben begann und ansonsten Nichtssagendes von sich gab, nebenher aber noch kräftig „Tullamore Dew“ Whisky zusprach. Iren trinken Irisches!

„Photo Finish“ lautet der Titel der neuen LP, die bei Dierks innerhalb von drei Wochen aufgenommen wurde und gleich die neue Band vorstellt: Gerry McAvoy zupft weiterhin den Baß. Aber anstelle von Rod de ‚Ath bearbeitet Ted McKenna von Alex Harvey’s Sensational Band nun die Trommelfelle. Erfolgte der Personal Wechsel wegen der berühmten musikalischen Differenzen? „Ne ne, das nich,“ wehrt Rory ab, „sieh mal, seit fünf oder sechs Jahren harn‘ wir nun in der gleichen Besetzung gespielt, mit Gerry McAvoy, Lou Martin an den Keyboards und Rod am Schlagzeug, das isses! Da gab’s keine Differenzen, sondern schlicht ’ne Abnutzung, wie auch bei vielen anderen Sachen, nich nur in der Musik. Und mit Ted Mc Kenna hab‘ ich nun ’nen Drummer, der sehr erdig, sehr an der Basis oder so, also ohne Firlefanz schlägt.“ Rory gießt nach.

Aber ist es nicht anachronistisch, im Jahre 1978 bloß als Trio aufzutreten, wo andere gerade den Kauf des vierten Synthies überlegen? „Ich hasse Synthesizer, okay? Das mach‘ ich nich mit. Meine Musik soll echt, ehrlich und einfach klingen, nich simpel, aber ohne modisches Zeugs. Und hier liegt in deiner Frage auch der Beweis dafür, daß es nich nur um Personalwechsel, sondern auch um ’ne kleine Richtungsänderung geht. Wir spielen nun wie bei Taste, ohne Keyboards, aber rockiger oder so. Das Album bringt viele up-tempo-Songs, klingt ziemlich funky, ja funky!“

In der Tat, „Photo Finish“ zitiert weniger als frühere Gallagher-Alben den Bezug zum Blues (was ich persönlich schade finde), gibt dafür mehr Dampf Richtung Gradlinigkeit, was deutlich auf McKenna’s Konto geht. Unverändert blieb natürlich Rory’s Art, zu singen und die Gitarre zu traktieren. Aber wieso funky? Ganz einfach: Rory bezieht sich mit dieser Bezeichnung nicht auf den aktuellen (und falschen) Sinn von „funky“ als „gut tanzbar“ oder gar „Disco-gemäß“. Nein, gemeint ist hier der ursprüngliche Sinn, eine erdige, bluesverwurzelte Spielweise mit unverfälschtem Charakter. „Nu mach‘ aber nich den Fehler, zu schreiben, dies sei Gallagher’s Antwort auf den Punk!“ Mach‘ ich nich, Rory, war’ja auch falsch.

Rory gießt nach. Wie steht es mit seinem Image, das ja darin besteht, angeblich keines zu haben? „Uh, weiß ich nich. Ich bin ’n irischer Gitarrist, der auch singt. Das isses. Der Rest stammt von der Presse.“ Und wie kam er darauf, bei Dierks‘ Dieter zu produzieren? „Ach, das Studio ist ja ziemlich bekannt in der Branche, und wir wollten „Photo Finish‘ halt in ’ner ruhigen Umgebung machen. Hier isses ziemlich ländlich und gelassen im Ort. Erholsam. Demnächst nehmen wir vielleicht wieder ’n Studio in der Großstadt, mit Autolärm und Verkehrstrubel oder so. Is immer verschieden.“ Im September/Oktober wird die neue Gallagher-Band durch die BRD touren und dann sicher auch wieder viel Beifall für Rory’s Einlagen mit akustischer Gitarre einheimsen. Bestand da nicht mal der Plan, ein ganzes Album mit rein akustischen Songs aufzunehmen? „Ja, würd‘ ich immer noch gern machen, aber dabei besteht ’n großes Problem: Ich besitze nicht genug Songs dafür. Weißt du, das soll dann kein irisches Folkalbum werden, da gibt’s genügend andere Bands wie Planxty, die sowas spielen. Ne, das sollte was mit Ireland, aber auch mit Blues und was mit Gallagher zu tun haben – und da fehlt mir immer noch ausreichend Material.“

Bezüglich des Alkohols hat Rory nunmehr das Zielfinish erreicht, aber er gießt nochmal nach. „Wie steht’s mit deinem Status in England, wieviele Alben verkaufst du dort eigentlich?“ „Och, so dreißigtausend, ich weiß nich recht. Frag‘ den Mann von der Plattenfirma!“ Eben das paßt zu Rory Gallagher: Kontoauszüge und Umsatzzahlen scheinen ihn kaum zu interessieren. Na, schließlich ist er ja bloß ein irischer Gitarrist, der auch singt.