Rockmusik


Tibor Kneif Rowohlt 6279 DM 14,80

Professor Kneif, Uni-Lehrer in Berlin, ist uns allen bekannt. Positiv wegen seines informativen SACHLEXIKONS ROCKMUSIK, negativ als Herausgeber von ROCK IN DEN 70ERN, wo er seine Autoren öffentlich wie Drittklaßler schurigelte.

Hier kommt ein gutes Buch, was Idee, Konzept und weite Teile der Umsetzung anbelangt. Der Platz reicht bei weitem nicht, um den Inhalt gänzlich auszubreiten.

Zwei große Blöcke widmet Tibor Kneif den „Instrumenten“ (Theorien, Vertreter) bzw. „Stilistischen Wurzeln“ (Quellen). Vorangestellt: „Die Elemente“, mit Bemerkungen zu Sprache, „Stars“ und einer „Hörertypologie“, bei der infolge holpriger Begriffe („Ressentiment-Hörer“, „Zerstreuter Hörer“) ein reizvolles Visavis von Wissenschaft und Lächerlichkeit entsteht (die Hörer, die Rock einfach nur mögen, kommen nicht vor).

Lesenswert dann wieder „Ausgewählte Kapitel aus der Rockgeschichte“ mit Themen querbeet: „Liverpool: Warum gerade die Beatles?“, „Rock in Boston“, „Rock-Avantgarde: John Lennon, The Residents und Human League“.

Abschließend eine „Kritik der Rockmusik und ihre Medien“: Über Mythen, Musikwerbung (schwere Schläge für die Teldec, der auch als einziger Großfirma nicht für Mithilfe gedankt wird…), die bösen, schlimmen, dummen Rock-Journalisten.

Kneils latente Pauschalurteile vorn hohen Roß herunter widern hier nur noch an. Vielen Dank, Herr Professor, dennoch für die generöse Ehrenrettung, daß „Psychopathen und an Verfolgungswahn Leidende… unter den deutschen Rockkritikern die seltene Ausnahme“ bilden (wie steht’s mit den Hochschul-Professoren?).

Beinahe schon tragisch: Eine fachliche Kanone und dies ist absolut keine Ironie – liefert unbestritten wichtige Beiträge zur Rock-Literatur; Lese freude aber mag kaum aufkommen. Es sei denn, den geschätzten Leser stört es nicht, wenn einer den „Musikkundigen“, „Kennerschaft“ und den selbstgewählten Status eines „Rockschriftstellers“ (alle Zitate: T. Kneif) heraushängen läßt.