Robert Francis, Berlin
Aus der Seele eines Cowboys: Songwriter Robert Francis.
„Eine 65-jährige Frau hat sich einen meiner Songtexte auf den Unterarm tätowieren lassen, unfassbar“, sagt Robert Francis. Die Dame ist Die-Hard-Fan der ersten Stunde. Der Rest der Welt dürfte den zuvor als Geheimtipp Gehandelten erst seit dem Erscheinen seines zweiten Albums Before Nightfall wahrnehmen. Oder weil der 22-Jährige auf Fotos so aussieht wie Vincent Gallo in unbedrohlich. Beim Auftritt in Berlin jedenfalls wimmelt es nur so von Frauen, die „Ist der süß“, „Den nehm‘ ich mir mit nach Haus'“ oder anderes, nicht Druckbares beim Anblick Francis‘ und seines bis zum Bauchnabel geöffneten Karohemdes sagen.
Der Gig findet im Rahmen der Berliner „Fashion Week“ statt, die Marke „Replay“ hat geladen und trotz Sahara-Temperaturen und frühen Konzertbeginns sind viele gefolgt. Die Befürchtung, dass die Gäste sich mehr für das kalte Buffet und die Gratisgetränke als für den Show-Act interessieren, erfüllt sich gottlob nicht. Frau wie Mann stellt mit Beginn des Gigs das Tellerklappern ein und folgt aufmerksam dem Geschehen auf der Bühne. Dort steht Francis mit seinem Bassisten Alex Kweskin, der heute hinter den Keyboards Platz nimmt. Sie müssen improvisieren, haben noch nie zu zweit gespielt, sind sympathisch nervös und beruhigen sich öffentlichkeitswirksam mit kräftigen Schlucken aus der „Jack Daniel’s“-Flasche und vielen hastig gerauchten Zigaretten. Nach einem Hendrix-artigen Intro spielt Francis eine furiose Version der Single „Junebug“ – wie alle anderen Songs des Albums von der Ex-Freundin „inspiriert“. Er sei ein „reaktionärer Songwriter“ hat Francis vorher gestanden, sprich: Leben passiert, er reagiert.
Die Diskrepanz zwischen seinem noch unbeholfenen Auftreten und einem Gesang, der klingt wie direkt aus der Seele eines sonnengegerbten Cowboys ist reizvoll. Francis covert Otis Redding und überflüssigerweise Dylans „Knockin‘ On Heaven’s Door“. Er macht es sofort wett mit einer wunderbaren Version seines Songs „Darkness“: Gemeinsam mit Alex, dessen Mikro ausgefallen ist, und einem Banjo stehen sie da wie die Dalton-Brüder und singen, als gäbe es bald keinen Whiskey mehr. Noch eindringlicher ist nur „Mescalin“ mit seinem wie von einem Kojoten geheulten Refrain „You’re a love disaster“. Francis scheint irgendwo in der Prärie zu stehen, und wirkt doch unmittelbarer als zuvor. Die Frauen haben derweil ihr Urteil von „Süßer-Typ-der-auch-Musik-macht“ in „Musiker-der-zufällig-auch-noch-süß-aussieht“ geändert. Ob das jetzt gleich mit einem Unterarm-Tattoo besiegelt werden muss, ist eine andere Frage.
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