Robbie Williams: Eine Scheibe vom Robbie


Mit seiner neuen Platte ist die Vermarktung der Marke Robbie Williams total geworden. Der Künstler selbst tut so, als gehe ihn das wenig an.

Auf einem der arty angemalten Kanapees in der „Library“ des Kaisersaals am Potsdamer Platz sitzt Guido Westerwelle und labert ein Kind voll. So gut, ihn hier zu sehen und zu wissen, daß er nicht gebraucht wird bei den Koalitions-Sondierungsgesprächen ein paar Häuser weiter, sondern an diesem Sonntagabend Anfang Oktober auf der millionenteuren After-Show-Party von Robbie Williams rumhängen kann. Das Konzert vorhin im Velodrom war Schluß- und Höhepunkt der Drei Tage des Robbie, die Berlin, vor allem: Berlins Boulevardmedien, seit Freitagam Hecheln gehalten haben. Und während derer man – das dürfte Herrn W. interessiert haben – die Kräfte des Marktes beim freien Spiel beobachten konnte.

Ein heißer Wettbewerb war und ist das wieder, jeder will ein Scheibchen vom Robbie, und wer eins hat, der sieht zu, wie er sich an der Ware möglichst effektiv gesundstößt. Das gilt für Westerwelle, der als Promigast gleich wieder ein wenig TV-Werbung für sich und seine funky junge Nullpartei machen kann. Es gilt für die Agentur, die sich per Exklusiv-Deal die Fotorechte am vorerst weltweit einzigen Robbie-Konzert gesichert hat und die begehrten Bildlein hernach zum Deluxepreis verhökert, was einen Aufschrei von wegen Beschneidung der Pressefreiheit zur Folge hat, aber hey: wer zahlt, hat Recht. Das gilt für die Veranstalter und Schwarzhändler, die Konzerttickets für 98 bzw. 500 Euro unter die Leute brachten. Es gilt für die Studentin Alica, die es bis in Robbies Suite schaffte und sich ihre „Bild“-Verramschung als „Robbies Sex-Mädchen „in den Tagen danach ja wohl hoffentlich gut bezahlen läßt. Und es gilt für die Reporter aus ganz Europa, die am Freitagmittag bei Robbies Pressekonferenz im Hangar 2 im Flughafen Tempelhof verwertbare O-Töne einsammeln sollen, was ein wenig schwer fällt, weil der Hauptdarsteller mit einer Mischung aus Frozzelig- und Wurschtigkeit agiert und auch die wenigen ernsthafteren Fragen inmitten des schmerzfreien Gewäschs (welche Mädchen am besten im Bett seien, die deutschen oder die englischen?) kaum zufriedenstellend beantwortet (einmal, angesprochen auf die Kate-Moss-Affäre, läuft er warm und hält ein hörenswertes Plädoyer für Moss und gegen die Heuchelei der Medien. „Aber das hat ja nicht so direkt mit ihm selbst zu tun“, winkt die Mitarbeiterin eines Berliner Lokalsenders ab, die sich hernach beklagt über die wenig ergiebige Sitzung; aber ob wir das mitgekriegt hätten: „Hat der da vorhin gesagt, daß er schwul ist?“ Äh, nö).

Es gilt für Robbies Plattenfirma, für die der Mann mit der Millionenseller-Garantie ein Nothelfer ist in diesen Krisenzeiten. Vor allem aber gilt es für Robbies neue Großsponsoren – ein Mobilfunkanbieter und ein Telefonhersteller- die sich den Star, wenn man so sagen darf, „rausgelassen“ haben. Was die eine oder andere Mio gekostet haben dürfte, weswegen die ganzen Drei Tage des Robbie eine alles durchdringende Logo- und Cl-Präsenz herrscht; das Wäpplein der Plattenfirma ist das deutlich kleinste im Dreierbund. Und noch ein viertes Logo klebt überall, ein komisches R mit Eso-Auge und Geschwurbel, wie ein „Love Symbol“ von Disney: Sie haben dem Wirtschaftsfaktor formerly known as Robbie Williams ein Emblem verpaßt, weil eine gescheite Marke so etwas braucht. Der Künstler selbst tut gerade so, als habe er nicht viel damit zu tun, wie er überhaupt oft an sein Management verweist und sich nach Kräften als kleiner Quertreiber präsentiert. Er dürfe noch nicht verraten, daß er nächstes Jahr auf fünfmonatige Tournee gehe, da würde sein Management schimpfen, kokettiert er vor der Weltpresse. Und das Publikum am Sonntag läßt er wissen, es mache ihm nichts aus, wenn die Fans sein neues Album aus dem Internet saugten.

Ausgerechnet mit seinem sechsten Album, inmitten der total gewordenen Vermarktung, begreift sich Robbie Williams mehr als je zuvor als auteur, der mit einem waschechten Indie-Helden an seinem neuen Werk getüftelt hat. Schwer vorzustellen, wie er mit Stephen Duffy in seiner Beverly-Hills-Villa sitzt, sich wehmütig seiner Schulzeit in Stoke-on-Trent erinnert und einen kleinen Songtext darüber schreibt, und dann sagt Duffy, „die Keyboards, Robbie, spielst du selber, schau mal.“

Aber so ist es gewesen, sagt Robbie, „in der Musik steckt mehr von mir drin als je zuvor.“ Doch das geht unter im Gedöns der Drei Tage des Robbie. Uns bleibt ein vom Mobilfunkanbieter finanzierter Kater, ein von Guido Westerwelle indoktriniertes Kind. Und die Hoffnung, daß nächstes Jahr bei der Stadientour noch ein Scheibchen von der alten Robbie-Magie übrig sein wird.

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