Violent Femmes

VIOLENT FEMMES (DELUXE EDITION)

Concord/Universal (VÖ: 9.2.)

Das legendäre Folkpunk-Debüt, zum 40. Geburtstag ergänzt um wenig aussagekräftige Demos sowie sehr interessante Live-Aufnahmen aus der gleichen Schaffensphase.

Dass die Violent Femmes Ende der Neunziger einen Kurzauftritt in der Serie „Sabrina – Total Verhext!“ hatten, wirkte damals etwas komisch, weil sich die Band bereits im Herbst ihrer Karriere befand und im Teenie-Setting ziemlich alt wirkte. Andererseits: Es ist seltsam genug, dass noch niemand auf die Idee kam, die frühen Songs des Trios aus Milwaukee zu einem Serienstoff zu verdichten.

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Denn das, worüber Gordon Gano hier singt, beinhaltet alles, was wahre Teenie-Dramen mit hohem Comedy-Anteil auszeichnen: Masturbation und Einsamkeit, Highsein und ernüchtert aufwachen, gebrochene Versprechen und verspätete Beichten, Ärger beim Daten und noch mehr Ärger, weil einfach keine Dates zustande kommen wollen. Und dann ist da der flehentliche Wunsch an den Vater: „Bitte, bitte, bitte, kann ich das Auto haben? Denn heute Abend geht vielleicht was…“

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Gordon Gano, Sänger, Gitarrist, Songwriter, ist gerade einmal 17, als er zusammen mit Bassist Brian Ritchie und Stehdrummer Victor De Lorenzo die Band gründet. Die amerikanische Jugend steht Anfang der Achtziger zumeist auf Hardcore, Postpunk oder New Wave. Die Violent Femmes scheren sich nicht darum, spielen Folkpunk wie eine Straßentruppe, informiert von Jonathan Richman, Willie Dixon und Johnny Cash.

Die besten Songs sind diejenigen, in denen sich Gordon Gano den Frust von der Seele schreibt

Einen Nerv trifft diese Musik vor allem deshalb, weil Gordon Gano als Texter ganz einfach über die Dinge singt, die ihn – als nicht gerade coolsten Jungen auf der Highschool – umtreiben. Die besten Songs sind diejenigen, in denen sich Gordon Gano den Frust von der Seele schreibt. Allen voran „Kiss Of“ sowie „Add It Up“ mit einigen Zeilen, die perfekt das Highschool-Elend der adoleszendierenden Jugend zusammenfassen: „Why can’t I get just one fuck / I guess it’s got something to do with luck / But I waited my whole life for just one…“.

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VIOLENT FEMMES, das Debütalbum, zählt zu den Platten, die bis heute von Generation zu Generation weitergegeben werden. Und wenn junge Menschen beginnen, sich eine LP-Sammlung aufzubauen, steht das Werk häufig oben auf der Liste, als zentraler Bestandteil des Indie Kanons.

Und zwar zu Recht: Die Eingängigkeit von „Blister In The Sun“ oder der Xylophon-Wahnsinn von „Gone Daddy Gone“ klingen auch heute noch unglaublich frisch. Zum 40. Geburtstag des Albums hat die Band eine Neupressung als Deluxe-Ausgabe veranlasst. Das Set, für knapp 100 Euro als Vinylbox deutlich günstiger als Doppel-CD oder via Streaming zu hören, bietet neben den zehn Originalsongs die beiden Singletracks „Ugly“ und „Gimme The Car“, die thematisch perfekt zum Album passen. Weiterer Bonus sind allerhand Demo-Aufnahmen, die jedoch wenig interessant sind, weil die Aufnahmen auf der Platte im Grunde auch wie Demos klingen. Was ja gerade ihren Reiz ausmacht.

Die Violent Femmes haben schon früh über das Debüt hinausgedacht

Ein echter Schatz sind dagegen die 13 Live-Aufnahmen: Zu hören sind Shows von 1981 und 1983, die Violent Femmes spielen für ihresgleichen, sprich: für ein bekifftes Highschool-Publikum. „Wer ist hier noch high?“, fragt Gordon Gano. Man hört nicht viel Resonanz, glaubt aber, das verstrahlte Nicken der Leute zu sehen. Neben den Hits des Albums spielt die Band weiteres frühes Material, das es nicht auf die Platte geschafft hat. Wobei Songs wie „Her Television“ oder „How Do You Say Goodbye“ absolut ebenbürtig sind.

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Klar wird aber auch, dass die Violent Femmes ihre frühen Stücke nach einer Formel entwerfen: Dynamisch beginnen, schneller werden, Flüsterpart einbauen, kaputtes Blues-Solo spielen, noch schneller werden, austrudeln. Schon kurz nach der Veröffentlichung ist die Band von ihrer eigenen Methode gelangweilt. Mit der Folge, dass ihr folgendes Werk HALLOWED GROUND ein Jahr später eine deutlich sinistere Angelegenheit wird.

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Den sensationellen „Country Death Song“, der diese zweite Platte eröffnet, spielt die Band bereits 1981 auf Konzerten, die Aufnahme ist auf der Deluxe-Edition zu hören: Gano schlüpft in die Rolle eines Familienvaters und mittellosen Farmers, der aus Langeweile beginnt, Mordfantasien zu entwickeln – um sich am Ende in der Scheune zu erhängen. Der „Country Death Song“ sprengt mit seiner Boom-Chicka-Boom-Struktur und den Lyrics komplett den Rahmen der Highschool-Dramen des Debüts. Er ist auf der zweiten Platte deutlich besser aufgehoben, ihn hier in einer frühen Live-Version zu hören, zeigt: Die Violent Femmes haben schon früh über das Debüt hinausgedacht. Die unglaubliche Frische ihrer ersten Platte haben sie später nie wieder erreicht; in Sachen Variationsreichtum haben sie aus der Trio-Besetzung aber rausgeholt, was ging.

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