Sido
Paul
Urban/Universal (VÖ: 9.12.)
Der Ex-Aggro-Berliner macht nun Therapiegruppen-Rap.
Klassischer Künstlertrick, wenn es ganz besonders authentisch werden soll auf einem Album: Zu Beginn wird ein Tape eingelegt, eine Nadel auf den Plattenspieler gesetzt, eine Autotür zugehauen. Dann ist die Hörerin allein mit ihrem Helden. Ganz privat, ganz nah. Sido hat sich was anderes ausgedacht: Den gebürtigen Ostberliner, der erst maskierter Bürgerschreck, dann freundlicher Heilsbringer mit Fielmannbrille sein wollte, begleitet man im Intro seines neuen Albums PAUL in die Gruppentherapie.
AmazonJetzt wird es also ehrlich, will er sagen, vielleicht auch traurig und hässlich, jetzt gibt’s den echten Paul Würdig. So heißt er nämlich wirklich. Also geht es um Versagensängste, um dysfunktionale Eltern-Kind-Beziehungen und sehr oft um Probleme mit Drogen, für deren Konsum Sido selbstredend tausendundein Bild parat hat. Musikalisch ist das alles solider Deutschrapgegenwartsdurchschnitt: Sido erzählt seine Storys zu mal gedämpften, mal geknickten, mal schlicht zurückgelehnten Beats und zischelnden Hi-Hats, und das so sidohaft wie lange nicht mehr.
Doch, manchmal ist er zurück, der alte Aggro-Berliner, der zugleich ernsthaft wütend und grimmig lustig wie kein zweiter sein konnte. Wenn er seinem Vater ein politisch sicher nicht korrektes „Fuck you“ hinterherbellt („Ich wollte doch so gerne noch mal mit dir angeln, du Spast“) hat das durchaus Wucht. Andere Versuche, Verletzungen als Provokationen zu tarnen – oder umgedreht? – verunglücken hingegen (siehe: „Gefühle unterdrückt wie Afrika“). Das üben wir noch mal!