Pulp

MORE

Rough Trade/Beggars (VÖ: 6.6.)

Ja, doch: Mehr ist mehr. Und das auch noch aus allen Phasen der Britpop-Poeten.

„Why me, why you? Why here, why now?“ Es sind die vielen, allzu großen Fragen des Klassikers „F.E.E.L.I.N.G.C.A.L.L.E.D.L.O.V.E“, die auf einen einprasseln, während sich im Kopf eine weitere Großtat von Pulp breitmacht. MORE ist die, bei aller Liebe, erste wirklich überzeugende Platte mit Beteiligung von Jarvis Cocker seit dem unrühmlichen Ende seiner Band 2002.

MORE setzt klanglich da an, wo WE LOVE LIFE vor fast einem Vierteljahrhundert aufgehört hat. Mit satter Orchestrierung, großen Gesten („I exist to do this: shouting and pointing“, singt Cocker) und funky Schlenkern. Und vielleicht hätten Pulp nahtlos weitermachen können, wäre Britpop um die Jahrtausendwende nicht derart out gewesen – beschämende vier Wochen waren WE LOVE LIFE in den britischen Top 100 vergönnt. Vermutlich beantwortet dieser Umstand das „Why here, why now?“ Denn right here, right now, um Oasis zu zitieren, ist 90er-Britpop wieder das hottest ticket in town. Alle rennen sie zu den Gallaghers, auch Supergrass und Gene touren wieder.

Unhappy People mögen mehr ausgeben, aber Happy People neigen dazu, mehr von dem zu wollen, was sie glücklich macht

Das Material für MORE wäre jedenfalls weitgehend schon länger vorhanden gewesen. „Got To Have Love“ war 2001 bereits skizziert, „Grown Ups“ existierte zu THIS IS HARDCORE-Zeiten als Demo. Sechs der verbleibenden neun Songs haben bis zu zehn Jahre auf dem Buckel. Dennoch wirkt das erst achte Album der Band in, Wow, 47 Jahren nicht wie eine Compilation, durchaus aber wie eine Best-of aller ihrer Phasen. So vereint es die Spoken-Word-lastigen 80er der Truppe mit den Indie-Hits der 90er und Scott Walkers streicherlastiger Plüschproduktion von WE LOVE LIFE.

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Dazu tänzelt Cocker oft über Brücken in die Vergangenheit: In der frenetischen Gospel-Disco „Got To Have Love“ buchstabiert er wieder L.O.V.E., im verführerischen „Slow Jam“ kommt’s zur Reunion mit dem alten Buddy Jesus Christus. Der Opener „Spike Island“ ist nach „Sorted For E’s & Wizz“ von 1995 schon sein zweiter Song über das legendäre Ein-Tages-Festival der Stone Roses 1990 (zu dessen 27000 Besucher:innen Cocker nicht zählte). Das folgende „Tina“ ist wie schon „Disco 2000“ ein Lied über eine Beziehung, die es nie gab. Beklagte er bei Deborah noch „We’d get married, and never split up / Oh, we never did it, although I often thought of it“, verzweifelt er 30 Jahre später an Tina: „Yes, tonight I have been thinking about / Scenes from a marriage that never took place“ – und unterstreicht mit der Referenz auf Ingmar Bergman, dass er immer noch der kulturbeflissene Prinz im Königreich Cool Britannia ist. Und dessen Hofdichter.

Zügeln muss man sich, um Lebensweggefährten nicht im Minutentakt neue Lieblingslyrics zu schicken wie: „I know it’s all about the journey / Not the final destination / But what if you get travel sick / Before you’ve even left the station?“ aus „Grown Ups“. Oder „The first rule of Economics? Unhappy people they spend more“ aus dem fnalen, den 70er-Schlager „I’d Like To Teach The World To Sing“ paraphrasierenden „A Sunset“. MORE ist alles, was man sich von einem Comeback-Album der Band hätte erhoffen können. Unhappy People mögen mehr ausgeben, aber Happy People neigen dazu, mehr von dem zu wollen, was sie glücklich macht.

MORE könnte zwar der grandiose Abschluss eines einzigartigen Werks sein, ein Legacy-Sequel, so perfekt wie „Mad Max: Fury Road“. Doch wollen wir hoffen, dass es nur das Eröffnungskapitel des nächsten Buchs Jarvis ist. REHM will MEHR! (A)MORE!

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