International Music
Die besten Jahre
Staatsakt/Caroline
Die Band mit dem ungooglebaren Namen legt ein imposantes Debüt vor, das von Krautrock gelernt hat, aber nach Kneipe klingt.
„In den Hotels, da gibt es Zimmer, die beleg’ ich von time to time, um mich zu regenerieren“. Wenn International Music diese Worte in „Mama, warum?“ singen, muss man kurz an ihre Labelkollegen von Ja, Panik und deren DMD KIU LIDT denken. Zumindest freut man sich einige Sekunden darüber, dass das internationalistische Trademark-Sprachfluidum von Andreas Spechtl offenbar seinen Platz im Werkzeugkasten des zeitgenössischen Texters gefunden hat. Aber: Auch wenn bisweilen auf ähnliche Referenzen zurückgegriffen wird (it’s manchmal Indie-Rock mit so einer NYC-Traditionen referenzierenden Schlagseite), reden wir bei International Music über etwas ganz anderes: Das Trio aus Nordrhein-Westfalen, das ohne den Drummer auch als, ebenfalls empfehlenswert, Düsseldorf Düsterboys musiziert, denkt, wenn es überhaupt Rock denkt, Rock weiter: Es dekonstruiert, setzt neu zusammen, erlaubt knapp begrenzte Töne, die mit ihrem Hall durch den Raum fliegen wie ein Komet mit seinem Schweif, aber auch interessant geschichtete Sequenzen, die bisweilen so eine Art Wall-of-Sound-Ästhetik besitzen.
Lieder über Liebe,Verzweiflung und Zwänge im System
Es trifft also The Jesus And Mary Chain auf Can auf F.S.K, über all dem schwebt in einigen Songs eine ganz schwer greifbare, fast Shanty-hafte Melancholie, die man so – aber ganz anders – im deutschen Pop zuletzt bei Fink gehört hat und die vor allem inhaltliche Gründe hat: Dieses Debüt ist selbst dann, wenn das große Ganze verhandelt wird, nie Stuhlkreis mit diskursivem Unterbau, sondern eher, wie es ja auch der Song „Kneipe“ impliziert: Raum mit Barhockern. Die sind dunkel gebeizt, im Pobackenbereich schon angenehm vorgewärmt und bisweilen ein kleines bisschen speckig. Ganz so, als hätte der letzte Gast keine Hose angehabt. Wer auf so einem Barhocker sitzt, der verästelt sich beim Reden nicht. Die Emotionen, die auf so einem Barhocker verhandelt und in Songs übersetzt werden, sind nicht immer sinnvoll, aber zumindest bei geübten Trinkern auch in ihrem Mäandern, in ihrem Ums-Eck-Laufen schlüssig.
17 Lieder haben International Music auf das Doppelalbum gepackt, sie handeln mal von Liebe und Verzweiflung („Metallmädchen“, dazu das Gegenstück „Country Girl“), mal von den Zwängen im System („Cool bleiben“), suchen aber auch ihre Geschichte zwischen den Worten, etwa in „Mont St. Michel“. Sie sind stets knapp gehalten, nur das letzte, ein Reprise von „Kopf der Band“, streckt sich; aus der Ferne springen zunächst Saxofone in die Gitarrenpatterns, dann ein Beckenschlag, ein Feedback, extreme Entschleunigung, das Flirren einer Orgel. So geht das dann weiter, 20 Minuten lang, nicht unanstrengend, aber wunderbar, wie ein letzter Gast, der noch einmal die Stimme erhebt, in den leeren, bierschönen Raum hinein singt, partout nicht nach Hause mag, aber warum auch, da wartet ja keiner.
Klingt wie: The Jesus And Mary Chain: Psychocandy (1985) / 1000 Robota: Ufo (2010) / Ja, Panik: DMD KIU LIDT (2011)