David Byrne
American Utopia
Todomundo/Nonesuch/Warner
Der Doyen des Art-Pop als Impulsgeber in der Düsternis. Diese amerikanische Utopie kommt einem Lichtspiel mit historischen Verweisen gleich.
„I Dance Like This“ – die kleine Piano-Etüde zum Empfang ist keine 50 Sekunden alt, da haut’s den Troubadour der Erzählung schon das erste Mal aus der Bahn, der 65-jährige Sänger verwandelt sich in eine ratternde Gesangsmaschine, die einen Kunstmusik-Punkrock durchfräst, der so wenig tanzbar ist wie nur irgendwas („I dance like this, because it feels so damned good“). So in die Extreme geht keines der neun weiteren Stücke auf dem neuen Soloalbum des Talking-Heads-Gründers und Art-Pop-Weltmeisters, seinem ersten seit satten 14 Jahren.
David Byrne hat sich einem Set von Weltbetrachtungen und Fragen zur Zeit verschrieben, ein Gegengift zur politischen Düsternis und zur schweren Stille, die uns vom Weltgeschehen Paralysierte umfangen. AMERICAN UTOPIA fungiert hier als lichtspielartiger Sehnsuchtsort, als fernes Symbol für Freiheit, im selben Moment möchte Byrne aber schon neue Impulse geben, das ist er seinem Ruf als Doyen des popmusikalischen Weiterdenkens schuldig – sich und uns.
„Everyday Is A Miracle“, Mambo-Ballade und Liebeslied, gibt den Ton vor, den wir aus der Spätphase der Talking Heads kennen, „It’s Not Dark Up Here“ verbindet Afrobeat und Rock-Musical, „Everybody’s Coming To My House“ (wie das Gros der Songs mit Brian Eno geschrieben und eingespielt) stammt aus der Vorzeige-Klasse der nervösen Heads-Musik, Byrne quetscht seine Stimme passgenau zwischen Beatboden, Gitarrenländereien und Sax-Himmel. Ein riesiger Willkommensgruß, mit Funk und Pop buchstabiert. David Byrnes Utopia ist eine Einladung: Start making sense!