Coldplay
MOON MUSIC
PLG/Warner (VÖ: 4.10.)
Chris Martins Mondsafari: Mal mies, in Momenten aber nicht ohne Magie.
Einer der großen Musikverkäufer koppelt die Möglichkeit, sich MOON MUSIC anzuhören, mit dem Angebot, eine CD mit dem Titel EVENING SYMPHONY zu kaufen: „Ruhige, tiefe Entspannungsmusik“. Und tatsächlich, die Tracktitel dieser Yoga-Retreat-Dienstleistungsmusik wie „Crescent Moon“ oder „A Farewell From The Sun“ ähneln denen von Coldplay. Nur, dass die Band sie anders geschrieben hätte. Alles klein aber ohne Leerzeichen, oder alles in Großbuchstaben. Oder als Emoji. Hauptsache ungewöhnlich. Warum auch immer.
AmazonMOON MUSIC ist das zehnte Album von Coldplay. Zwölf sollen es werden, hatte Chris Martin zuletzt angekündigt, aus dem Gestus eines Rauchers heraus, der in Aussicht stellt, nach dieser noch zwei weitere Packungen konsumieren zu wollen, dann sei Schluss. Hm. Die zehn neuen Songs ergeben zusammen mit dem total verkorksten MUSIC FROM THE SPHERES von 2021 ein kosmisches Duo. Auch hier: Warum auch immer. In Sommer spielten Coldplay als Headliner beim Glastonbury-Festival, und als bei „Fix You“ die Wiese vor Herzenswärme glühte, kam man auf den Gedanken, dass Coldplay dann super sind, wenn sie sehr bodenständige und irdische Lieder spielen. Warum also dieser Weltraumheckmeck?
Warum also nicht auch Coldplay zugestehen, dass diese Mondsafari ihre Momente hat
Beim Titelstück darf der Meditationislelektroniker Jon Hopkins eine kurze Mondsymphonie einspielen, bevor Chris Martin wie ein Erzähler auftritt, der aus dem „Kleinen Prinzen“ zitiert. Es folgen die beiden Vorabsingles „feelslikeimfallinginlove“ und „WE PRAY“, erstere wartet auf ein Helene-Fischer-Cover, zweitere hat eine starke Gästeliste, u.a. mit Little Simz, scheitert aber grandios daran, Coldplay-Pathos mit Modern-HipHop zu kombinieren. Die Hoffnung heißt „JUPITER“, ein Folksong an der akustischen Gitarre, nur das „Viva La Vida“-Streicherstakkato hätte nicht sein müssen, ansonsten: sehr gut. Wie auch der Funk-Pop von „GOOD FEELINGS“, der an Phoenix erinnert, zumal man im Refrain prima „Good Phoenix“ singen kann.
Mit dem sechsten Stück erreicht MOON MUSIC sein Ziel: Ein Stück namens Regenbogenemoji – „🌈“. Es klingt erst nach Sigur Rós, dann nach Pink Floyd, am Ende ist die Stimme der 2014 verstorbenen afroamerikanischen Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou zu hören: „When it looked like the sun wasn’t gonna shine anymore, God put a rainbow in the cloud.“ Kitsch. Aber nicht kalt. Danach verblasst das Album, was durchaus eine gute Nachricht ist, denn das ganze Technicolor zu Beginn hatte ja eher gestört. Mal sehen, ob sich Nick Cave bei Coldplay meldet, weil er seine Klavierakkorde von „Into My Arms“ wiederhaben will, die bei „One World“ auftauchen. „ALL MY LOVE“ hat was von einer 70s-Americana-Schmonzette, mit „Aeterna“ kriegt die Band noch mal den Hintern hoch: Eurodisco für den schnellen Discofox – bei den Pet Shop Boys würden wir’s lieben. Warum also nicht auch Coldplay zugestehen, dass diese Mondsafari ihre Momente hat.
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