Redbone – Die ‚Botschafter‘ des roten Amerika
Sie sind überall auf der Welt erfolgreich und zuhause. Vermutlich sind sie gegenwärtig sogar die wichtigsten Vertreter ihrer eigenen Rasse. Gemeint ist Redbone. Neulich tourten die ‚musikalischen Botschafter‘ des roten Amerika erneut durch viele europäische Länder, in denen sie mit ihrem ‚Wounded-Knee‘-Hit die Zahl ihrer Anhänger schlagartig erhöhen konnten. Über die ‚Wounded-Knee‘ Vorgeschichte sowie über nähere Einzelheiten der neuen Redbone-LP sprach ME mit Lolly Vegas, Leadgitarrist und ‚Redbone-Häuptling‘:
WE WERE ALL WOUNDED AT WOUNDED KNEE ME
Mit eurem letzten Hit ‚We Were All Wounded At Wounded Knee‘ habt ihr euch sehr deutlich über die Ereignisse in ‚Wounded Knee‘ empört.
Lolly: Richtig. Ich glaube, die Vorfalle in ‚Wounded Knee‘ haben dazu gedient, der ganzen Welt mit einem Schlag zu erklären, dass es in den Vereinigten Staaten noch immer ein Indianer-Problem zu lösen gibt. Jahrelang ist es Amerikas bestgehütetes Geheimnis gewesen.
ME: Was ist eigentlich genau vorgefallen in ‚Wounded Knee‘?
Lolly: Indianer haben vor einigen Monaten das Städtchen ‚Wounded Knee‘ besetzt. Das ist die Stadt, in der vor 100 Jahren das Massaker von ‚Wounded Knee‘ stattfand. Damals wurden 200 alte Männer, Frauen und Kinder von der Armee abgeschlachtet. Das war der Stamm des Häuptlings Big Foot‘. Bevor die wehrlosen Indianer sterben mussten, begannen sie einen Tanz, um die Geister zu beschwören (Ghostdancing).
NEUE REDBONE-LP: WOWOKA
Übrigens, unsere neue LP (Titel: ‚WO-WOKA‘) basiert auf der Form des ‚Ghostdancing‘ wies schon damals praktiziert wurde. Wowoka hiess der indianische Prophet, der den ‚Geistertanz‘ erfunden hat. Als damals in ‚Wounded Knee‘ die Armee Big-Foot’s Stamm umzingelte, gab es eine Beratung im Indianer-Camp. Dort sah man ein, dass man gegen die Kanonen der Kavallerie keine Chance hatte. Die Indianer sahen der Einkreisung durch die Armee also tatenlos zu und als die Nacht hereinbrach, begannen sie den ‚Geistertanz‘. Wowoka hatte nämlich prophezeit, dass alle, die den Geistertanz tanzen, vom Erdboden abheben würden, damit dieser zu beben anfangen kann, um alle Feinde unter sich zu begraben. Wenn das Beben vorbei ist, so Wowoka, würden die Indianer wieder auf die Erde zurückkehren und ein neues Leben beginnen. Die Indianer in Wounded Knee fingen also an zu tanzen und sie tanzten so extatisch, dass die Soldaten der Kavallerie es mit der Angst zu tun bekamen. Die kannten nämlich die Prophezeiung Wowokas ebenfalls und fürchteten, dass sie eintreten könnte. Deshalb begannen sie zu schiessen.
ME: Wie sieht ‚Wounded Knee‘ heute aus?
Lolly: Es ist eine kleine Stadt auf dem Lande. Beinahe wäre dasselbe wie vor 100 Jahren noch einmal passiert. 200 Indianer hatten das Städtchen, das eigentlich nur aus Kirche und Postamt besteht, eingenommen, um auf ihre miserable Lage aufmerksam zu machen. Die US-Armee kam diesmal gleich mit Panzern und allen möglichen Waffen. Es war haargenau dieselbe Situation wie damals. Das einzige, was diesmal eine grössere Tragödie verhinderte, war, dass die Nachricht von der Belagerung über Radio und Fernsehen rasend schnell um die ganze Welt ging. Und das Gewissen der Welt sagte: Tu’s nicht! Nie wieder! Wounded Knee darf nie wieder passieren!‘ Deshalb konnte die Armee diesmal nicht eingreifen. Trotzdem wurden erneut einige Indianer getötet. Aber nicht alle!
‚WIR KOMMEN AUS KALIFORNIEN‘
ME: Welche Rolle spielt Redbone innerhalb der Indianer-Scene in den USA?
Lolly: Wenn Du nur wüsstet, wie stolz die Indianer auf Redbone sind… Du würdest es nicht für möglich halten. Sie sind wirklich stolz. Wir haben ihnen die Möglichkeit eröffnet, ihre eigene Rasse aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Durch uns haben viele von ihnen das Gefühl bekommen, dass sie etwas tun können, um ihre Lage zu verbessern.
ME: Wie leben die Indianer eigentlich heute in den Staaten?
Lolly: In den Reservaten sieht es noch genau wie vor 80 oder 100 Jahren aus. Es ist eine ganz andere Welt dort. Man hat eine eigene Gesetzgebung, eine eigene Gerichtsbarkeit, eine eigene Polizei. Das grosse Problem ist aber, dass die Leute in den Reservaten keine fruchtbare Kommunikation mit der amerikanischen Regierung haben, die dann im Endeffekt die Lage der Indianer wesentlich verbessern könnte.
ME: Von wo stammt eigentlich Redbone?
Lolly: Wir kommen aus einer Stadt, aus Fresno in Kalifornien. Vor einigen Jahren arbeiteten wir noch auf den Getreidefeldern und spielten nebenbei in verschiedenen Bands. Erst als wir nach Los Angeles zogen, kamen wir auf die Idee, Redbone zu formieren.
ME: Ihr habt also vor Redbone auch mit Musikern aus anderen Rassen zusammengespielt …
Lolly: Meistens mit schwarzen Musikern.
DER KLANG DER TROMMELN
ME: Ist ’schwarze‘ Musik der indianischen Musik verwandter als die der Weissen?
Lolly: Ja, denn sowohl schwarze wie indianische Musik basiert auf Rhythmus, auf dem Klang der Trommeln. Ein alter afrikanischer und ein alter indianischer Tanz haben viele Gemeinsamkeiten. Viele Bewegungen sind genau die Gleichen.
ME: Spielt ihr in den Staaten infolgedessen auch hSufig vor schwarzem Publikum?
Lolly: Sehr häufig. Die Schwarzen brauchen nicht lange zu überlegen, ob sie uns mögen. Sie fühlen es vom ersten Moment an.
ME: Was passiert, wenn ihr ausschliesslich vor indianischem Publikum auftretet?
Lolly: Das ist unbeschreiblich. Die Indianer lassen uns fühlen, dass wir zusammengehören. Neulich in Winipeg traten zuerst indianische Tänzer auf, dann wurden traditionelle Gesänge geboten und schliesslich kamen wir mit unserer Musik.
ME: Wie verhalten sich die alten Indianer gegenüber den Jüngeren, die für Rockmusik schwärmen?
Lolly: Sie finden es dufte. Es gibt unter Indianern kaum ein Generationsproblem.