Filmbericht

„Priscilla“: Zu viele lose Andeutungen, zu wenig Handlung


So wird das nichts mit dem Meisterwerk: Sofia Coppola liefert ein Drama, das von Wiederholung lebt.

Sofia Coppolas „Priscilla“ erzählt die Geschichte der Ex-Ehefrau des Sängers und Schauspielers Elvis Presley. Dabei schildert das Werk, wie eine 14-Jährige sich anfänglich in den „King of Rock’n’Roll“ verliebt und sich später in einem goldenen Käfig wiederfindet. Klingt durchaus nach spannendem Filmmaterial, aber ob es die satten 113 Minuten auch füllt, ohne die Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen zu verlieren und sich ein Kinobesuch ab dem 04. Januar lohnt, verraten wir in unserer Review.

„Wonka“: Eskapismusfilm übers Schoko-Kartell und nette Süßigkeitendealer

Gefangen in Graceland

Wir befinden uns im Jahr 1959. Noch unter ihrem Mädchennamen, Priscilla Beaulieu, lebt diese in Wiesbaden, wohin ihr Stiefvater und Luftwaffenoffizier Paul Beaulieu versetzt worden ist. Im Alter von 14 Jahren geht sie dann auf die House-Party des zehn Jahre älteren Elvis Presley, wo sie auch mit dem Sänger ins Gespräch kommt. Es knistert direkt zwischen den beiden. Priscilla, die anschließend von Elvis auf weitere Treffen eingeladen wird, holt sich das Einverständnis ihres Stiefvaters ab und lebt nun ein Leben, in dem sie tagsüber die Schule besucht und nachts mit der Rock’n’Roll-Ikone unterwegs ist. Die Karriere des damaligen Frauenschwarms verlangt jedoch bald seine Rückkehr in die Staaten, während Priscilla weiterhin in Deutschland zur Schule gehen muss. Die Fernbeziehung, die aus wenigen Telefonaten besteht, verstärkt das Heimweh der gebürtigen Amerikanerin und die Sehnsucht nach der Liebe ihres Lebens.  

Mit 17 Jahren zieht sie dann in die Villa Graceland in Memphis zu Presley und besucht dort eine katholische Mädchenschule, um ihren Abschluss machen zu können. Die anfänglich romantische Beziehung entwickelt sich mit der Zeit allerdings zu einem toxischen Gefängnis, in dem Priscilla nur noch für Elvis existiert. Er fängt an, über ihre Outfits, ihr Make-up und ihr Auftreten zu bestimmten, die seiner Meinung nach, nicht zu seinem Style passen würden, wenn er nicht genau darauf schauen würde.

Während er durch die Staaten reist, um diverse Filme zu drehen und Konzert zu geben, muss Priscilla im Haus auf ihn warten. Einen Job darf sie nicht nachgehen, denn es könnte sie davon abhalten, immer dann erreichbar zu sein, wenn er es möchte. Sie erfährt durch Zeitungen von seinen Liebesaffären, darf ihm nicht nachreisen und wird mit Geschenken versucht, ruhig zu stellen. 1967 heiratet sie mit Anfang 20 den Sänger, wird schwanger und bringt schließlich Tochter Lisa Marie Presley auf die Welt.

Während sich Elvis mit den Jahren noch mehr Affären und Wutausbrüchen hingibt, nimmt sich Priscilla Presley immer mehr Platz für ihr eigenes Leben mit eigenen Interessen. 1973 entscheidet sie sich dann für eine Trennung und lässt sich scheiden. 

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Priscilla langweilt sich und die Zuschauer:innen auch

Durchaus geht es in Priscillas Geschichte um weit mehr als den Fakt, dass sie sich in Graceland einsam und gelangweilt fühlte. Es geht um eine junge Frau, die in den Schatten gedrängt wird, damit der Mann an ihrer Seite weiter strahlen kann. Die stetig versucht genug zu sein, immer wieder gezeigt bekommt, sie sei es nicht, bis sie letztendlich ihren eigenen Wert erkennt und geht. Ein beeindruckender Prozess, wenn man die damalige Zeit, die Rechte der Frauen beziehungsweise die nicht vorhandenen Rechte und vor allem den Ikonenstatus ihres Mannes bedenkt.

Leider schafft es das Drama von Sofia Coppola („Lost in Translation“, „The Virgin Suicides“) nicht diese Dynamik aufzufangen. Coppola zeigt mit weißlichem Filter eine Frau, die in der Villa mit Hündchen auf dem Arm hin und her läuft und auf die Rückkehr ihres Mannes wartet. Durchaus ein bis vielleicht drei Szenen wert, um den Zuschauer:innen ihren Alltag und ihre Liebe für ihn zu verbildlichen. Vielleicht hat es auch für ein bis zwei weitere Sequenzen seine Daseinsberechtigung, damit man ihr Gefühl der Eintönigkeit nachempfinden kann. Aber wenn es dann zum Hauptbestandteil des Werkes wird, vermittelt dieses nicht nur das Gefühl, sondern wirkt auf einen eben genauso eintönig. Es scheinen sich Handlungen kontinuierlich zu wiederholen: Priscilla geht zur Schule und kommt nach Hause, um zu warten, verbringt ein paar Tage mit Elvis oder telefoniert mit diesem – und dann alles wieder von vorne. 

Über seine Affären erfährt sie immer durch die Zeitung. Anfänglich bricht es einem das Herz, eine junge Frau zu sehen, die alleine am Frühstückstisch sitzend nicht durch eine Person, aber durch Boulevard-Zeitungen, die wahren Gründe dafür erfährt, weshalb ihr Mann wahrscheinlich nicht will, dass sie mitreist. Aber je öfter die Szene kommt, desto weniger wird mitgegangen. Man sieht die Zeitung auf dem Tisch und weiß, was folgen wird.

Priscilla wird als passive Person dargestellt, was der Zeit verschuldet vielleicht auch so war. Dennoch erscheint es unrealistisch, dass sie keinerlei aktiven Kampf führte, aber dann mutig genug war, die Scheidung einzureichen – was damals für Frauen nicht gerade einfach war.

Sofia Coppola lehnte Regie zu letztem „Twilight“-Teil ab – er sei „zu schräg“

Andeutungen über Andeutungen

Es gab durchaus einige Filmmomente, die einen nach der ganzen Eintönigkeit wieder wachrüttelten. So auch Elvis‘ (gut gespielt von Jacob Elordis, „Euphoria“) Ausraster, als er nach Priscillas Meinung zu einem Song fragt und mit ihrer Antwort nicht einverstanden ist. Er macht während der Schwangerschaft mit ihr Schluss und entscheidet sich im Sekundentakt dann doch gegen das von ihm Gesagte. Cailee Spaeny („Mare of Easttown“) veranschaulicht in der Rolle der Priscilla sehr gut ihre stetige Mühe, alles korrekt machen zu wollen, und wie sich diese Anstrengung mit der Zeit dann in Desinteresse umwandelt. Doch werden solche Szene auf das Minimalste reduziert.

So deutet Priscilla an, mit ihrer frühen Schwangerschaft nicht gerechnet zu haben und ein wenig unter Schock zu stehen. Das wird allerdings bei dieser Aussage dann belassen. Inwiefern oder ob sie es überhaupt je schafft, sich damit anzufreunden, wird komplett weggelassen. Plötzlich sieht man ein paar Szenen weiter nur eine junge Frau, die glücklich ihre Tochter in der Schaukel anschubst.

Auch die Wutausbrüche von Elvis werfen mehr Fragen auf als das sie Aufklärung bieten. Lebte sie mit einem Choleriker oder kritikunfähigen Menschen zusammen – oder was war da genau los? Es ist klar zu sagen, dass solche aggressiven Aussetzer gegenüber seiner Frau nie in Ordnung gewesen sein können. Der Film soll auch zu mehr Verständnis für sie und nicht für ihn führen, so Coppolas Ansatz. Doch fühlt es sich beim Schauen so an, als bräuchte man auch eine Einordnung zu ihm, um ihr Leben besser nachvollziehen zu können. 

„Priscilla“: Wie Thomas Mars einen Elvis-Soundtrack ohne Elvis-Songs gemacht hat

Fazit: „Priscilla“ ist eine wichtige Gegendarstellung zur glorifizierten Geschichte des sogenannten „King of Rock’n’Roll“. Es zeigt mal wieder, dass man berühmte Persönlichkeiten trotz sehr viel Berichterstattung schlichtweg nicht kennt – egal auch, wie sehr man die Musik zu verstehen vermag. Je größer die Macht einer bekannten Person wird, umso bedeutsamer ist es zu wissen, wie sie diese einsetzt. Gerade deshalb hätte Sofia Coppolas Film mehr ins Detail gehen können, statt repetitiv ähnliche Szenen zu zeigen und Vieles durch Andeutungen der Fantasie der Zuschauer:innen zu überlassen.