Pop Art
Die Pop-Kolumne
2. Mai 2010, iTunes-Single-Charts Platz 17: David Guetta (feat. Kid Cudi), „Memories“
Keine Ahnung, was David Guetta sich so als Lebensziele gesteckt hat. Aber: könnte sein, dass Die-Welt-untergehen-lassen ganz oben steht auf der Liste. Noch vor Ohrenzuballern und Aus-Müll-Geld-machen. Es hat tatsächlich seit sehr, sehr langer Zeit keinen Musiker mehr gegeben, den man so reinen Herzens hassen konnte für das, was er der Menschheit mit seinem Wirken antut.
Ansonsten findet sich in diesen schönen toleranten Zeiten ja immer irgendein Grund, etwas nicht gleich hassen zu müssen. Musik zum Beispiel ironisch hören zu können, das gehört wohl zu den großen zivilisatorischen Fortschritten der letzten zwei bis drei Jahrzehnte. Davor war es Privileg und kulturelles Kampfmittel von Schwulen, womöglich auch von ein paar heterosexuellen Nerds, schlechte oder jedenfalls geschmacklose Musik bewusst gut zu finden. Der Camp-Kultur verdankt der moderne Pop so ungefähr alles, was nicht nach Achselschweiß und Bierpisse stinkt, also: seine heutige Existenz. Und das Vorbild des Camp erst schenkte letztlich uns allen die Fähigkeit, zum Beispiel Dieter Bohlen und Scooter zu verzeihen. Und deren Werk zu goutieren, ironisch zumeist.
David Guettas Musik aber ist eine Pest, gegen die kein Mittel hilft, nicht mal Ironie. Erschwerend kommt hinzu, dass Guetta so eine Art Geheimvirus ist: Man weiß fast nichts über den Mann, außer dass er Franzose ist, 42 Jahre alt und gerade weltweit die Singlecharts terrorisiert. Entweder mit seinen eigenen Schrottdancetracks oder mit Produktionen für insbesondere amerikanische Sängerinnen, die Guetta offenbar für die europäische Antwort auf Timbaland halten. Kelis‘ „Acapella“ und Kelly Rowlands „Commander“ sind zwei traurige aktuelle Beispiele dafür, wie Guetta einstmals respektablen Sängerinnen den letzten Rest an Würde raubt. Guettas Produktionen sind schlecht programmiert, schlecht arrangiert, schlecht abgemischt; sie klingen nicht nur kacke, sie besitzen auch null Inspiration, keine guten Beats, keine Refrains, keine Seele, nicht mal die düstere Schönheit, die auch das brutal Stumpfe haben kann, beim Metal oder Techno. Guettas Musik ist wie ein rosa Frotteeschlüpfer: unreformierbar hässlich.
Weil es kein einziges Indiz dafür gibt, dass Guetta auch nur die leiseste Ahnung davon hat, was er da tut, er also offenbar keinem Masterplan zur Verschandelung der Welt durch Scheißmusik folgt, könnte man ihm fast schon wieder verzeihen. Aber nein: Irgendwo hört die Toleranz auf.