Pop Art


Die Pop-Kolumne von Dirk Peitz

Erst der Hype macht den Hunger

iTunes-Charts,

12. Dezember 2011, Platz 1: Lana Del Rey, „Video Games“

Natürlich muss der Hype kaputtgequatscht werden. Ist immer so, läuft immer gleich, in derart vorhersehbaren Stufen demonstrativer Gelangweiltheit, dass es auch schon wieder langweilig ist. Dabei ist der Hype doch gut, der Hype ist für die Popkultur das, was der Appetit ist für den Magen: Erst der Hype macht den Hunger. Alles andere ist Bob Dylan.

Also, gehen wir es noch mal durch, mit der gebotenen Nichtgelangweiltheit, denn Lana Del Rey ist super, das ist: objektiv nicht zu leugnen. Denn wann gelingt es in der Popkultur schon mal, eine Figur so zu konstruieren, dass zwar alle die Konstruiertheit erkennen, vulgo: die Aufgespritztheit der Lippen. Sich aber trotzdem nicht dagegen wehren können. Weil sie gut ist, die Figur.

Stufe 1, die Hype-Geburtsphase. Die ersten zirka 100 000 Youtube-Klicker von „Video Games“ wussten es wie immer vor aller Welt: dass ein neuer Star geboren werden würde. Diese Geburtshelfer, das sind die Hipster-Hebammen, die sich über Ultraschallbilder beugen, sechster Monat, und es dann auf Facebook posten: „Es wird ein Mädchen! Und ich hab’s schon im Mutterleib gesehen!“ Doch wenn es dann da ist, das Mädchen, schauen sie sich das verschrumpelte Baby an und klagen: „Ach, es ist auch bloß ein Mädchen, und bald wird es jeder kennen, nicht nur ich und meine tausend engsten Facebook-Freunde, muhäää.“

Stufe 2, die Hype-Wickelphase. Als zirka die erste Million bei Youtube überschritten war, rochen den hübschen Braten auch diejenigen, die sonst nur die Scheiße riechen, die ihnen hingehalten wird; die erst was mitkriegen, wenn die Windel voll ist. Und wenn schon ein paar Abwinkstorys erschienen sind: „Auch nur ein Baby mit guter Verdauung, aber, hey, irgendwer muss ja bescheuert genug sein, 300 Euro auf dem Schwarzmarkt für eine Karte fürs 30-Minuten-Clubkonzert des Babys zu zahlen, und ich war’s nicht!“

Stufe 3, die Hype-Pubertätsphase. Zehn Millionen Youtube-Klicks. Die Single steht bei Saturn, jetzt kennt sie jeder: Platz 1. Die Hipster-Hebammen beugen sich längst über andere Ultraschallbilder, die Wickelexperten warten auf die neue Madonna, denn da weiß man schon vorher, wie der Mist stinkt.

Und Lana Del Rey ist immer noch gut. Wie langweilig.