Peter Gabriel: SO


(1986)

Mehr als zehn Jahre nach seinem Ausstieg bei Genesis, insgesamt vier Solo-Alben, eine Live-Platte und einen Filmsoundtrack benötigte Peter Gabriel, um sich als Gesamt-Pop-Künstler zu einer kreativen Weltmacht entwickeln zu können. 1986, als Genesis auf dem Weg waren, die Band für das ganze, breite Volk zu werden, platzte Gabriels Song-Bombe. Der detailbesessene Brite überraschte alle: Wer nur ein weiteres Tiefgang-Popalbum erwartet hatte, bekam eine geniale Mischung aus Ohrwurm-Melodien und bislang ungehörten „Welt“-Musik-Arrangements vorgesetzt. Wer auf eine Fortsetzung der bildreichen Sound-Sprache des „Birdy“-Filmsoundtracks hoffte, wurde mit ebenso sorgfältig recherchierten Klängen bedient. Eingebettet freilich in derart mitreißende Rhythmus-Genialitäten von Bassist Tony Levin und Ausnahme-Trommler, daß selbst bei den hirnlastigsten Freunden Gabrielschen Edel-Klanges unwillkürlich das Tanzbein zuckte. Das sorgte auch für eine satte Single-Bilanz: Noch nie zuvor warf eine Gabriel-LP so viele Hit-Scheibchen ab („Sledgehammer“, „Don’t Give Up“. „Big Time“ und „Red Rain“). Für den Langsam-Arbeiter aus Bath (er brauchte sechs Jahre für den Pop-Nachfolger „Us“) sicherte dies – zusammen mit den weltweiten Millionenverkäufen des Albums – auch die finanzielle Absicherung seines Multimedia-Studiokomplexes im Südwesten Englands. Seine „Real World“-Studios waren bereits bei „So“ Austragungsort des kreativen und privaten Dauerfeuers. Hier – und nur hier – war die engumschlungene Gesangs-Zärtlichkeit mit Kate Bush („Don’t Give Up), der avantgardistische Paarlauf mit Laurie Anderson („This 1s The Picture“) oder die afrikanische Stimm-Entdeckung Youssou N‘ Dour („In Your Eyes“) möglich. „So“ ist nicht Gabriels Lieblingsplatte (er favorisiert seinen Scorsese-Soundtrack „Passion“ von 1989). Sie ist aber in der genialen Verbindung von feinfühligen, weltumspannenden Klängen mit Pop-Melodien der Mega-Klasse von keinem Künstler seither erreicht worden.