Paulas Popwoche: Oasis sind BRAT
Paula Irmschler feiert die Oasis-Reunion, die neue „The Bear“-Staffel mitsamt Soundtrack und Chappell Roans Ansage.
Comeback der Woche: Oasis
… was bin ich erleichtert! Gerade als wir popkulturell drohten, in diese „very mindful, very demure“ Unterwürfigkeitsscheiße abzudriften, meldeten sich Oasis zurück und reißen alles mit dem Arsch wieder ein. Ab sofort wird’s wieder stumpf rüpelig und schön rührselig. Klar, man darf den Fehler nicht machen und die Vergangenheit, die immer dümmer als die Gegenwart ist, romantisieren, aber ein bisschen Bodenständigkeit und Achselschweißumarmung kann doch nicht schaden – wer sieht denn grad überhaupt noch durch?
Nachdem also ein paar Sommer lang jeder Weiblichkeitskult, der einem so eingefallen ist, kapitalisiert wurde, geht’s jetzt den Boys an den Nacken und jeder kriegt was er verdient – also sind 2025 eben Anglerhüte und Kokstaxis dran.
Aber Oasis sind nicht gleich Oasis und man kann unterschiedliche Zugänge zu der Band haben. Ich zum Beispiel war auch riesiger Fan – klar, das war in einer Zeit, in der man noch nicht Zugang zu quasi allem hatte, was es musikmäßig gibt und sich vor allem zwischen bekannten Männerbands entscheiden musste. Auch da leben wir heute in viel besseren Zeiten. Dank immerhin etwas späterer Geburt als die erste Fan-Generation hatte ich mit diesen Mackerdistinktionslappen der 90er wenigstens nichts zu tun und hab einfach meine Liebeskummer (plural) mit den Schmalzsongs gestillt und mein Selbstbewusstsein mit den Bangern aufgemotzt, ohne die unsäglichen Diskussionen um Blur, Beatles, Bier und Ballsport mitbekommen zu müssen. Andere Oasis-Fans – zunehmend hängengeblieben, aber immer noch junge Mädchen angeiernd –, die man in den Nullern noch in den Clubs traf, waren stets die unangenehmsten Zeitgenossen. Es gab aber auch andere einsame, weiche Fans – vor allem im Internet, mit denen man sich connecten konnte. In meinem Fall waren das vor allem zwei ganz tolle, interessante Frauen, die mir die, ja, genau, Oasis-StudiVZ-Gruppe beschert hat.
Als die Nachricht der Reunion kam, hatte ich längst nicht mehr dran geglaubt. 2009 war die Trennung für uns Fans furchtbar, die meisten fanden es aber auch richtig, es war einfach auch mal gut, die Auftritte im letzten Jahr schon, sagen wir mal, von fragwürdiger Qualität. Trotzdem war man sich sicher, dass die Trennung nicht lange anhalten würde. Ich wurde in der Zeit danach noch größerer Fan – schließlich konnte man sich in den Hinterlassenschaften der Band nun so richtig suhlen, es tauchten immer wieder neue alte Demos und Bootlegs auf, es war ein fast unerschöpflicher Schatz, außerdem hauten die ehemaligen Mitglieder mit ihren jeweiligen Bands (Beady Eye, High Flying Birds, Ride) und Solosachen ab und an was Gutes raus. Jahr um Jahr verging, Gerücht um Gerücht schwebte umher, es wurde immer unwahrscheinlicher, naja und irgendwann auch … egal. Vor einer Woche hätte ich noch gesagt, ach, naja, muss jetzt auch nicht mehr sein. Doch als es dann tatsächlich (!!!) so weit war, verfiel ich sofort in alte Muster, hätte mir am liebsten sofort eine Ziese angezündet und sämtliche Zitate wieder auf den Arm gekritzelt. Meine Oasis-Internetfreundinnen von damals musste ich sofort kontaktieren und sie schrieben sofort zurück.
Ich sehe mich schon nächstes Jahr inmitten all dieser Fans stehen und ein bisschen die Augen verdrehen, aber dann wird mir meine Freundin ins Ohr grölen und wir werden spätestens beim zweiten Song völlig im Schwitzepathos aufgehen und genau die Oasis-Opfer sein wie alle anderen. Geil wird das! Vorausgesetzt man kriegt Tickets!
Soundtrack der Woche: „The Bear“
Die dritte Staffel vom Küchendrama „The Bear“ ist da und die Reaktionen scheinen größtenteils verhalten bis niederschmetternd. Die Handlung käme nicht in Gang, die Staffel sei überflüssig, die Serie wiederhole sich selbst und so weiter. Stimmt alles ein bisschen, ist aber nur halb so schlimm. Ja, Staffel 3 ist eher atmosphärisch, es sind vor allem so Snapshots, manchmal denkt man sich: Oha, jetzt also schon wieder so eine artsy Folge … Am Ende stimmt aber dann doch wieder alles. Das war ja auch bisher nicht anders. Die vierte Staffel wird das Ganze abrunden, das fühle ich genau. Es geht nun mal vor allem um Stimmungen, um Druck, um das unterschwellige – hehe – Köcheln in den Menschen, während Alltagsstress und mit den Traumata, die man mit sich rumschleppt. Das gelingt der Serie besser als den meisten anderen. Der Soundtrack gehört da natürlich dazu. Schon in den vergangenen beiden Staffeln fiel er auf, schließlich versammelt er so richtige Hits, die auch Oasis-Fans gefallen sollten. Auch diesmal gibt es wieder keine Angst vor Pathoskitsch, was spitze ist. Man kann nie genug von R.E.M., den Counting Crows, den Cocteau Twins und Carole King bekommen. Und dann ist sogar noch Nachwuchsstar Taylor Swift dabei! Hört nicht auf die Hater. Gebt Staffel 3 eine Chance, sie hat unglaubliche Momente (gerade die Folgen, in denen es um Tina und Natalie (Sugar) geht), schaut und hört rein. Hands!
Ansage der Woche: Chappell Roan
Als ich hörte, dass Chappell Roan sich gegen aufdringliche Fans und Erwartungshaltungen an (weibliche) Popstars gäußert haben, dachte ich: Wow, mutig! Ich bin mir nicht sicher, ob ich das schon mal so deutlich von einer berühmten Frau gehört habe (Billie Eilish hat Ähnliches schon öfter angedeutet, aber die meisten Popstars machen sowas erst viel später in ihrer Karriere und dann auch viel zurückhaltender). Roan macht es aber (relativ) am Anfang, zu einem Zeitpunkt, an dem man Frauen ganz besonders oft klarmacht, dass sie demütig zu sein haben, froh und dankbar für jede Chance sein müssen, lieb und nett Ja sagen müssen, keine Allüren, keine Umstände, kein großes Gewese machen dürfen, sich leiten lassen müssen, weil es sonst ganz schnell vorbei ist. Der Rest ist DIVA und das dürfen nur Mariah Carey und J.Lo, aber ganz bestimmt keine Anfängerinnen. Roan macht es aber einfach und setzt ihre Grenzen. Sie sagt, was sie nicht will und kann und Dank der sozialen Netzwerke kann sie es einfach ungefiltert raushauen – und nicht durch ein Interview, in dem sie in einen komischen Kontext gesetzt werden kann. Und dann macht sie es auch noch mit so einer Caption: „I turned off comments because I’m not looking for anyone’s response.“
Ja, wir müssen unbedingt über Fanwahnsinn reden, über Projektionen und insbesondere Ansprüche an Frauen. Und auch darüber, dass manche Popstars das auch ausnutzen, um ihren Fans jeden Müll (z.B. Beauty) zu verkaufen. Aber mit dieser neuen Generation an Popstars ist da vielleicht ein Turn möglich, mehr Augenhöhe und so. Roans AUDACITY ist auf jeden Fall beeindruckend. ROAN, BRAT, OASIS. Und demure kann weg.
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