Paulas Popkolumne: Von Linkin Park bis Taylor Swift – Die Woche der Insta-Statements
Paula Irmschler über ihre Sicht der Dinge zu Linkin Park, Dave Grohl und Taylor Swift.
Da war ja mal wieder einiges los. Herbst gegen Sommer, Charli XCX gegen BRAT, Harris gegen Trump, Trump gegen Tierfresser, Heino für Trump, Taylor für Harris, Mockridge gegen unsere Nerven, endlich genug gegen Mockridge, Liam Gallagher gegen Fans, Fans gegen Linkin Park – und da gehen wir auch schon rein. Kommt hereingekuschelt, zur Woche der Insta-Statments.
Drama der Woche: Linkin Park
Der Tod von Chester Bennington hat uns Fans vor sieben Jahren das Herz gebrochen. Ich werde nie vergessen, wie ich an dem Tag in die Musikexpress-Redaktion kam (ich war im Praktikum), es dort erfuhr und niemand meine Trauer so richtig verstehen konnte. Für meine Kolleg*innen, die alle zwei bis drei Jahre älter waren als ich, waren Linkin Park keine coole Band, sie waren auf Nickelback-Niveau, sie waren peinlich. Für uns mittelalte Millenials waren sie Anfang der Nuller aber das Alternativste, Krasseste, Düsterste und Authentischste, was wir aus den Charts bekommen konnten – neben Shaggy, den No Angels und Westlife (alle sowieso eh auch super). Aber sie waren eben besonders hilfreich in der Pubertät und allem Drumherum. Es gab so eine Art geflügeltes Wort in meiner Familie, das mir bis heute dazu einfällt, wenn jemand wütend aus einem Raum stampft: „Gehste jetzt die Tür zuknallen und Linkin Park hören?“ Hell, yes.
Meine Bitte, ob ich über Chester einen Nachruf schreiben könnte, lehnten die ME-Leute damals dementsprechend ab. Also schrieb ich heimlich und wimmernd an meinem Schreibtisch einen fürs Intro-Magazin, sozusagen während meiner Arbeitszeit. Aber es tut mir nicht Leid. Es ist mir fast ein bisschen peinlich, dass ich immer noch Tränen in die Augen kriege, wenn ich an Chester denke. War doch nur ein Sänger von ner Band, oder? Aber ein bisschen war er halt auch ein alter Freund.
That being said, habe ich und viele anderen Fans immer gehofft, dass es für die Band weitergehen kann. Nicht unbedingt der Musik wegen, die war schon lange eher mittel, sondern weil man sich für die anderen Mitglieder freuen würde. Gerüchte um eine neue Sängerin gingen bereits vor ein paar Monaten rum, sie wurden aber schnell dementiert. Jetzt fiel die Wahl auf Emily Armstrong, ebenfalls Teil der Band Dead Sara und sie ist sehr, sehr gut. Live-Aufnahmen, wie Armstrong alte Linkin-Park-Songs singt, entzückten große Teile des Internets und ich finde den neuen Song, „The Emptiness Machine“ wirklich richtig gut.
Dass es Hater geben würde – Linkin Park sind nur echt mit Chester, ihn kann niemand ersetzen, hätte man nicht noch ewig nach jemand besseren suchen können und so weiter – war klar, aber über das normale Distinktionsgehabe und Misogynie von Männerbandfans hinaus spielt eine Rolle, dass Armstrong auch noch Dreck am Stecken hat. Wenn du als Frau in eine Männerwelt, und Linkin Park sind das nun mal auch, steppst, musst du unbedingt herausragend gut sein – und auch moralisch mehr integer als es von männlichen Kollegen je erwartet würde. Nun detektierte man, dass Armstrong früher Teil einer Scientology-Clique war, zu der der verurteilte Vergewaltiger Danny Masterson („Die wilden Siebziger“) gehört hat, aber auch Cedric Bixler-Zavala (The Mars Volta) und Chrissie Carnell Bixler – Exfrau von Masterson und Betroffene seiner Gewalt, heute mit Cedric Bixler-Zavala verheiratet. Die beiden waren früher wie gesagt selbst bei Scientology, sind aber unter anderem wegen der sexuellen Gewalt dort ausgetreten und engagieren sich gegen die Sekte und ihre Mitglieder, dementsprechend auch gegen Armstrong. Diese soll mutmaßlich immer noch bei Scientology sein, einer Sekte, die für alles steht, was Chester abgelehnt hat. Die Kritik ist also richtig und Armstrong hat sich immer noch nicht dazu geäußert. Distanziert hat sie sich nur von ihrer Unterstützung Mastersons zur Zeit der Gerichtsverhandlung.
Ein bisschen Whataboutism dazu, der Sturm der Entrüstung im Netz stößt ein wenig auf, wenn man daran denkt, wie viele Männer damit durchkommen, mit Tätern befreundet zu sein, sie sogar nach wie vor unterstützen, denen auch eine Mitgliedschaft bei Scientology nicht so vehement vorgehalten wird. Es bleibt ein bisschen der Eindruck, dass manche eine besondere Lust dabei empfinden, wenn sie ausgerechnet Frauen ob ihrer Unperfektheit überführen und als unmögliche Person markieren können, indem sie auch noch das letzte Schnipselchen aus deren Leben abscannen – siehe auch gerade bei Blake Lively und am extremsten war es wohl bei Amber Heard. Das soll Armstrong natürlich null aus ihrer Verantwortung entlassen. Sollte sich bewahrheiten, dass sie bei Scientology ist – immerhin eine gefährliche Sekte (auch für viele ihrer Mitglieder übrigens – nicht wenige haben Angst, auszutreten) – kann man besprechen, was das für sie und für die Band bedeutet. Wenn sich bewahrheitet, dass sie ideologisch so panne ist, wie man ihr vorwirft, kann man sich an die Statements ihrer größten Kritiker (zu sehen auf Cedric Bixler-Zavalas Insta-Account) nur anschließen.
Hund der Woche: Dave Grohl
Er galt lange als unproblematischster Typ der Musikbranche, auch wenn seine Heiligkeit schon anfing zu bröckeln, als er sich vor kurzem wie so ein nerviger Rockheini aus dem Internet über Taylor Swift mockierte – auf ihren Konzerten gäbe es keine Livemusik, behauptete er bei einem Konzert der Foo Fighters neidisch und fälschlicherweise. PEINLICHONKEL GROHL zeigte sein wahres Gesicht. Und nun bewies er, dass er darüber hinaus ein klischeehaftes Männlein ist. Auf Instagram erzählte er gestern, vielleicht weil Druck auf ihn ausgeübt worden ist, dass er Vater eines unehelichen Kindes geworden ist – er also mit einer Frau fremdgegangen sein muss. Diese Beschissenheit nahm das Internet eher locker, Männer sind halt Männer, Rockstars eben, schalala. Zum Meme wurden im Zuge des Geständnisses natürlich die bekannten Zeilen aus „Best Of You“: „I’ve got another confession to make“. Er ist ein Fool.
Bekenntnis der Woche: Taylor Swift
Ein weiteres Statement stellte alle anderen absolut in den Schatten. Schließlich wurde es sehnlichst erwartet. Taylor Swift hat endlich REPUTATION (TAYLOR’S VERSION) angekündigt. Spaaaß. Sie macht Wahlwerbung für Kamala Harris. Viele hielten das im Vornherein für einen wichtigen Move und warteten nur darauf, dass Swift es ENDLICH tun würde. Schließlich schart sie eine riesige Fangemeinde hinter sich – und bewies schon in der Vergangenheit einen großen Einfluss auf die Politisierung von Jugendlichen. Als sie vor Jahren dafür warb, sich zum Wählen registrieren zu lassen, kamen dem mehrere Zehntausende nach. Seitdem sie das gestern wiederholt hat, besuchten mehrere Hunderttausende die Registrierungs-Webseite. Dazu kommt: Seit sie sich vor einigen Jahren dagegen wehrte, von Rassisten als weiß-blonde Ikone instrumentalisiert zu werden und sich als Demokratin, Antirasstin und Feministin positionierte, ist auch ihre Fangemeinde stetig diverser geworden – es ist also davon auszugehen, dass eher Harris-Fans dazugehören. Ikonisch war natürlich vor allem der Move, den Aufruf mit einem Bild von ihr mit Katze zu versehen – schließlich griff J. D. Vance auch sie als „childless cat lady“ an. Tja, da denken wir normalen Leute natürlich: Wo ist der Diss, du Nulpe?
Katzenkuscheln und schlechte Laune, herbstiger wird’s nicht mehr. Ich schlage jetzt mal die Tür zu und hör ein bisschen Linkin Park, ciao.
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