Patti Smith


EINMAL IM JAHR IST ROCKMUSIK-ABEND IN DER MOZARTstadt. Dann wird der Domplatz rundum abgesperrt und ein verdienter Künstler der U-Musik besorgt ein Konzert mit dem besonderen, exklusiven Touch. Letztes Jahr wiegte hier John Cale mit einer Soloperformance gediegen in den Schlaf. Dieses Jahr verspricht aufregender zu werden: wir warten auf eine, die sich gewöhnlich rar macht: Patti Smith, Punk-Ikone, Proto-Rockfrau, Poetin. Und dann steht sie am Mikro, das angegraute Haar nachlässig gekämmt, Brille auf der Charakter-Nase, und rezitiert ein Gedicht aus einem kleinen Buch, Allen Ginsbergs „Holy“. Die Band – nur Gitarrist Lenny Kaye ist von der alten Patti Smith Group noch übrig – unterlegt mit hypnotischem Wave-Rock. Salzburg hält ehrfürchtig den Atem an. Dann ein Gruß – „Wellkommen!“ -, ein sympathisches, schiefes Lächeln, die Brille weg und mitten rein in eine messerscharfe Coverversion von „Paint It Black“. Sogleich macht sich die Beschränkung der Örtlichkeit bemerkbar. Die sakral-ehrwürdige Umgebung in Ehren, aber Patti Smith ist keine mit dem Leben hadernde Altintellektueile. Aus ihr spricht eine warmherzige Offenheit, und in ihr ist immer noch ein Sturm im Gange. Diese Frau braucht Luft – und sie braucht ihr Publikum. Das aber sitzt weit weg auf einer Holztribüne, der Raum vor der Bühne ist abgesperrt. Patti läßt sich davon nicht um ihre gute Laune bringen. Immer wieder schlurft sie die Treppe zur Absperrung hinunter, wechselt ein paar Worte mit Fans. Unangestrengt hält die 51jährige eine bewundernswerte Balance zwischen künstlerischem Anspruch und Entertainment. Nach einem weiteren mit rauher Stimme vorgetragenen Poem baut Neil Youngs „Rockin‘ In The Free World“ den Spannungsbogen weiter. Als es während eines meditativen Stückes anfängt zu regnen, läßt man nach kurzer Absprache „Because The Night“ folgen – Smiths größter kommerzieller Erfolg stärkt die Moral der am Eingang ihrer Schirme beraubten Zuschauer, die sich jetzt zunehmend tanzend an den Bühnenseiten drängen. ,,ll pluit, I know“, bedauert Patti auf französisch. Egal, im Regen sprang der Funke über. „People Have The Power“ – und zum furiosen Finale geht „Rock n’Roll Nigger“ in ein atemloses „Gloria“ über. „Jesus died for somebody’s sins but not mine“ krächzt Patti Smith ihre berühmtesten Zeilen ins Mikrofon. Dann lächelt sie nochmal. Man sieht sich hoffentlich bald wieder – vielleicht in weniger Stil-, dafür stimmungsvoller Atmosphäre.