Patrick Wagner
Was macht eigentlich Patrick Wagner?
Entscheidender ist, was er alles nicht macht.
Und wovon lebst du?
Alte Freunde schanzen mir so Beraterjobs zu. Ich doziere auch an der Universität der Künste oder im Auftrag der Noisy Academy. Da lehre ich dann Musikrecht und Marketing.
Als gescheiterten Musikgeschäftsmann nimmt man dich da ernst?
Ich gebe ja eher Antikurse. Meine Botschaft lautet: Es kommt auf dich selbst an, dann ergibt sich das Marketing von allein. Musiker machen sich heute zu viele Gedanken.
Musik machst du keine mehr?
Musik ist eine der wichtigsten Sachen, die ich nicht mache. Ich spiele bloß ein bisschen mit meinem Sohn, der ist jetzt zehn. Wir heißen „Schniedel Raus!“ und sind politisch absolut unkorrekt, also sehr politisch und damit sozusagen die Fortführung von Surrogat. Das Chaos der Künste finde ich heute bei Kindern, als Fußball-Trainer, ehrenamtlich. Auch ein Buch schreibe ich gerade nicht: über Berlin, die Neunziger und Pop. Ein Verlag hat angefragt. Ist mir aber zu doof.
Es gibt offenbar einen gesteigerten Erinnerungsbedarf an das Berlin der Neunziger.
Die Neunziger sind heute so was wie die Zwanziger. Die Freiheit vermisse ich schon. Das Internet hat mein Leben zerstört. Nicht, weil Musik plötzlich umsonst war, sondern weil man dadurch sein Gesicht und seine Stimme verloren hat. Mails schreiben kann jeder, Menschen von Ideen überzeugen nicht.
Ist Berlin-Mitte 2013 das neue Karlsruhe?
Es ist piefiger als Karlsruhe. Aber ich bin ja selber piefig. Ich bin lizenzierter Kindertrainer. Ich habe einen Hund. Und ich mache so Frührentner-Sachen wie Sauna, Wandern und Zelten.
Kannst du dir vorstellen, irgendwann ins Musikgeschäft zurückzukehren?
Momentan kann ich mir überhaupt wenig vorstellen. Was ich tue, tue ich allerdings immer noch mit 120 Prozent. Ich mache in rasantem Tempo meine Trainerscheine, im März die B-Lizenz, lese dazu Bücher, betreue Kinder mit Migrationshintergrund und ADS und entwickle sportwissenschaftliche Theorien. Beim progressivsten Ausbildungsclub Berlins, dem SV Empor. Aber mit Empor hab ich mich verkracht, weil die da nicht so weit gehen wollen wie ich: Wie spielen die Kinder in Barcelona? Ich werde dort hospitieren.
Ob in Sportvereinen oder Plattenfirmen: Wo du auftauchst, gibt es Ärger.
Ich gebe mich ungern zufrieden und finde nichts super, wie es ist. Ich scheitere immer an meinem Überengagement. Ich nerve alle.
Wie bei Kitty-Yo?
Rayk Hölzel und ich, wir wussten beide, dass der deutsche Markt für Acts wie Peaches zu eng war. Wir mussten im Ausland investieren. Rayk wollte konsolidieren. Dass ich im Streit einfach gegangen bin, war aber albern. Danach hat mich meine Frau gezwungen, bei Universal zu arbeiten.
Woran war Surrogat gescheitert?
Die Band hat von meiner Energie gelebt. Da habe ich gesagt: „Wenn ihr das nächste Mal proben wollt, ruft mich an.“ Bis heute hat sich keiner gemeldet.
Und das Label Louisville?
Meine Frau wollte wieder arbeiten und wir haben unsere eigene Plattenfirma aufgemacht. 2005 war das nicht die beste Idee.
Wegen der Krise?
Wegen des Internets. Da hat jeder Musiker noch genau 3,5 Sekunden Klickzeit, um sich zu präsentieren. Hat er Glück, wird er schnell industrialisiert. Der Rausch ist weg.
Musikmachen ist einfacher geworden.
Klar. Man macht mehr selbst, die Produktion wird billiger. Na und? Hat noch jemand die Dringlichkeit von Tocotronic, meinen Weggefährten? Vielleicht kann der eine oder andere sogar davon leben. Aber das fand ich schon immer uninteressant: davon zu leben.
Der nächste musikexpress erscheint am 14. März 2013