Paradise Lost


Vier Wege gibt es zur Ewigkeit, welchen wählst Du?“ fragt dräuend ein überdimensionales Plakat direkt gegenüber der Konzerthalte. Dort findet heute ein großer „Bekehrungsabend“ der Methodisten statt. Mein Weg führt an diesem Abend aber eher zum Gegenteil – zu Paradise Lost. Doch auf diesem Weg gibt es einige interessante Begegnungen zu beobachten. Adrette Familien mit vielen Kindern und hochchristlicher Orientierung eilen in Schlips, Hochschlagfrisur und Faltenrock zu Gottes Wort und betrachten dabei mit Schaudern finstere, langhaarige, lederbejackte Gestalten auf der anderen Straßenseite, die für ein Konzert mit „dämonischer Höllenmusik“ Schlange stehen. Gut 1.500 Kids ziehen diese musikalische Hölle frommen Chorälen vor. Paradise Lost haben mit ihren letzten beiden Alben ‚Icon‘ und ‚Draconian Times‘ Meilensteine in Sachen Doom-Underground gesetzt und damit viele neue Fans gewonnen. Ja, mehr noch, Paradise Lost darf man ohne Übertreibung als umsatzträchtigsten britischen Heavy-MetalExport der letzten Jahre bezeichnen. Mächtige Gitarrenakkorde und Lichteffekte kündigen sie an – die Metal-Melancholiker mit ihrer typischen Mischung aus dramatisierten Riffs und hartlegiertem Pathos. Und dann geht’s los. Mit Songs wie ‚I Can See Your Face‘ und ‚Rememberance‘ und dem umjubelten ‚Pity Your Sadness‘. Besonders der engelsgelockte Sänger Nick Holmes steht bei den zahlreich erschienenen Mädels hoch im Kurs. Beim ergreifenden ‚Forever Failure‘ kommen manchen gar die Tränen. Doch bei näherem Hinhören entpuppt sich das Ganze als Second-Hand-Dämonie, als konventionelles Metal-Entertainment: Gitarrenbrei aus dunklen Dezibel-Tälern, verschleppte Lava-Rhythmik, geschüttelte Mähnen – das alles hat man schon aufregender gesehen und gehört. Zugegeben, die Lightshow ist gut, mindestens der Stromverbrauch einer Kleinstadt. Aber diese Mischung aus Darkwave, Starkstrom und Gefühlspathos ist am heutigen Abend ein fader Aufguß bekannter Fields Of The Nephilim-Klischees. Draußen auf der Straße wieder Begegnungen mit real existierenden Christenmenschen und die ernüchternde Erkenntnis, daß die Hölle zuweilen genauso öde wie der Himmel sein kann.