Ozzy Osbourne
Als Ende der Sechzig er die IG Hart-Metall ins Leben gerufen wurde, zählte Ozzy Osbourne zu ihren Gründungsmitgliedern. Auch 1983, nach nunmehr 14 Jahren im aufreibendsten Musik-Metier, sitzt er noch immer im Vorstand. Nicht zuletzt durch blutrünstige Extravaganzen sorgt "Madman" Ozzy nach wie vor für Gesprächsstoff. Andreas Kraatz traf ihn in Nürnberg und fragte natürlich gleich, warum es ausgerechnet Fledermäuse sein müssen...
Gäbe es alljährlich einen Oscar für die umstrittenste Rock-I Horror-Show: Ozzy wäre gewiß der erste Anwärter auf diesen Preis. So aber muß er sich vorerst damit begnügen, als „Boris Karloff des He&vy-Metal“ mit immer neuen Versatzstücken aus der Requisitenkammer des Schreckens zu schockieren. Mi! Frankenstein-Gebiß, diversen Folterwerkzeugen, das große Kreuz nicht zu vergessen,, oder simulierten Hinnchtungs-Szenen auf der Bühne macht er seinem „Madman“-Image alle Ehre Allabendlich zelebriert er einen Auftritt, der weniger einem gängigen Rockkonzert als vielmehr einer „Schwarzen Messe“ ähnelt.
Deshalb meine Frage an ihn, ob der Wahnsinn echt oder gespielt ist, ob nicht vielmehr eine clever eingefädelte PR-Idee hinter seinen Geschmacklosigkeiten steckt. ‚ I „in diesem Geschäft bastelll doch jeder, sei’s David Cover-L dale. Roben Plant oder wie sie alle heißen, an seinem besonderen Image herum“, erklärt Ozzy freimüug. „schließlich wiü man etv/a$ verkaufen Rock ‚o‘ Roll ist nun mal eine verrückte Sache, und ich führe seii 15 Jahren ein verrücktes Leben …“
Dieses Bekenntnis trägt die vorletzte LP sogar im Titel DIA-RY OF A MADMAN, zu deutsch „Tagebuch eines Verrückten“. Doch bei dem Gedanken an abartige Grausamkeiten auf der Bühne, im Dienste der Imagepflege, ist mir nicht so ganz geheuer, Ein Grund, den vielziUerten Zwischenfall mit der Fledermaus anzuschneiden.
„Das mir der Fledermaus kam völlig überraschend und erwies sich als verhängnisvoller Scherz. Gewöhnlich lasse ich mir beson dere Gags einfallen, um das Publikum auf Touren zu bringen. Nicht so in diesem Fall. Als ein Gegenstand auf die Bühne flog, biß ich in dem Glauben, es sei eine dieser handelsüblichen Pia stik-Kopien, kurzerhand hinein, beider war’s aber ein echtes Exemplar, worauf mich ein Arzt umgehend mit etlichen Spritzeh gegen Tollwut außer Gefecht setzte. Keine scherz-, sondern eine schmerzhafte Angelegen-I heil Am Ende mußte ich mir wegen dieser Behandlung sogar die Haare abrasieren lassen.“
Der Wahnsinn hat bei Ozzy eine lange Tradition. Werfen wir also einen kleinen Blick zurück. Man schreibt das Jahr 1968, als Black Sabbath (der Name entstammt einem Horror-Film) von Birmingham aus aufbrechen, um das Vereinigte Königreich in eine Heavy-Metal-Festung zu verwandeln. Neben der (für damalige Ohren) ungewöhnlich lauten.
dickflüssigen Musik sind es vor allem die ausgefallenen Aktionen ihres Sängers und Frontmanns Ozzy Osbourne, durch die man auf sich aufmerksam macht.
Schon bald durchziehen ihre Schallmauern auch die Staaten. Black Sabbath werden zum Inbegriff eines düsteren Schwermetall-Rocks, der in Songs wie „Hand Oi Doom“ oder „Electric Funeral“ (auf PARANOID von 1970) nicht selten den Ton dumpfer Beschwörungen anschlägt, Spätestens 1978 aber ist der musikalische Stillstand im Traditionsverein Black Sabbath nicht mehr zu überhören. Ozzy steigt aus, stellt, eine eigene Band auf die Beine und hat bis jetzt drei Alben, zuletzt SPEAK OF THE DEV1L (Live-Doppelalbum), eingespielt, die sich in den US-Charts hoch plazieren konnten und allein dort über eine Million F.Ye»mnlam vertrau ftpn Letztes Jahr hatte Ozzy dieses Live-Album mit Beiträgen seines 1982 tödlich verunglückten Gitarristen Randy Rhoads angekündigt, doch nach der Veröffentlichung mußte man erstaunt feststellen, daß ausschließlich Sabbath-Matertal darauf enthalten ist. Was war der Grund für den plötzlichen Sinneswandel, will ich von ihm wissen. , „Ganz einfach“, beginnt er seine Ausführungen, „ursprünglich sollte das Album zur einen Hälfte aus meinem Material neueren Datums und zur anderen aus alten Sabbath-Nummem bestehen. Doch mitten in den Vorbereitungen passierte dieses tragische Flugzeugunglück, bei dem Bandy ums Leben kam.
In dieser Situation, so kurz nach seinem Tod, eine Scheibe mit ihm herauszubringen, wäre seiner Familie und seinen Freunden gegenüber einfach unfair und geschmacklos gewesen, Denn zweifellos hätte d:e Plattenfirma das mit der werbewirk r samen Aufschrift Jeaturing the late. Handy Rhoads‘ versehen. Da ich das aber mchi wollte, habe ich mich entschlossen, diese Aufnähmen vorerst unter Verschluß zu halten und zu gegebener Zeit zu veröffentlichen. „
Das ist jedoch nicht der einzige Grund, wie mir Ozzy gesteht „Die alten Songs haben mich einfach gereizt. Einen großen Teil, z. B, , Wizzard‘, habe ich seit ungefähr zehn Jahren nicht mehr live gespielt. Ich war scharf darauf, den Geist früherer Jahre wieder aufleben zu lassen.“
Was man sich gerade bei einem HM-Evergreen wie „Paranoid“ vorstellen kann, zählt er doch seit Jahren zum festen In^ ventar der Rockgeschichte, Jfon seiner Ausstrahlung auf das Pu blikum her ein zeitloser Song“, ergänzt Ozzy mit sichtlichem Stolz.
Wenige Wochen nach SPEAK OF.. . sind Ozzys ehemalige Mitstreiter mit einem Live-Werk unter dem Titel Black Sabbath’s LIVE EVIL an die Öffentlichkeit getreten, auf dem außer neuen Eigenkompositionen auch alte Eisen -wie „Iron Man“, „War Pigs“ oder „Paranoid“ zu finden sind. Ein etwas seltsames Zusammentiefien. Was liegt also näher, als beide einem genauen Vergleich zu unterziehen Gibt es da Konkurrenz-Denken und Futterneid?
„Zufällig weiß ich genau, daß Sabbalh mit ihren Live-Aumahmen erstmal ins Studio gingen, um – bis auf den Publikums-Background – alles noch einmal zu bearbeiten Wir dagegen beließen alles, die Instrumente und das Publikum, von Beginn an in ihrer ursprünglichen Form. Einzig einige Unebenheiten im Gesang, wo meine Stimme etwas zittzig klang, sind nachträglich bereinigt worden. Alles m allem hat die Prozedur – von der Songauswahl und -Zusammenstellung, über das Pressen bis hm zur Verpackung – drei oder vier Wochen gedauert. Sabbath dagegen haben ihre Sachen bereits vor einem Jahr eingespielt und m der Zwischenzeit mächtig daran herumgefeilt,“ Seme vergleichenden Anmerkungen gipfeln schließlich in einer Idve-Piatten-Philosophie. „Ein Konzert ist eine einmalige Angelegenheil Wie es genau an dem Tag. genau- auf der Bühne und mit genau dem Publikum im Hintergrund geklungen hat- das alles authentisch einzulangen, ist Aufgabe eines echten Live-Albums Wenn das ohne die im Studio übliche Nacharbeitung gelingt, kann man sich beruhigt zurücklehnen. Viele Aumalimen sind jedoch nie und nimmer ,Live absolut unmöglich; ich schätze, von zehn verdienen acht diese Bezeichnung nicht. „
Eine „Enthüllung“ ganz anderer Art ist, daß eine stattliche Zahl von Musikern der Ozzy-Osbourne-Band. trotz Erfolg und ansehnlicher Plattenverkäufe, bald wieder den Rücken kehrten. Den Anfang machten Bob Daisley (Ex-Rainbow) und Lee Kerslake (Ex-Unah Heep), ihnen folgten Don Airey (Ex-Rainbow) und zuletzt Rudi Sarzo, für den unter anderem Ex-UFO-Bassist Pete Way im Gespräch war.
Anfällig zeigte sich auch die Gitarren-Front nach Rhöads Tod. Berrue Torme’s (Ex-Gillan, jetzt mit eigener Band u The Electric Gypsies“) Gastspiel war nur von kurzer Dauer. Ebenso das eines gewissen Brad Gülis (der auf dem Live-Album zu hören ist). Ein illustres Wechselspiel, das nicht unbedingt für die Beständigkeit der Band und ihres Leaders spricht.
„Ich hatte, um meinen Vertrag zu erfüllen, noch mehrere Auftitte im Rahmen unserer US-Tour zu geben, konnte also den Laden nach Randy’s Unglück nicht einfach dichtmachen“, wehrt sich Ozzy entschieden gegen den Verdacht, er sei ein mieser Boß, „Berme Torme war der erste, der mir aus der‘ Patsche herausgeholfen hat Doch ihm fehlte die Erfahrung für die riesigen amerikanischen Stadien, das war eine Nummer zu groß für ihn, damit kam er nicht zurecht.
Daraufhin ist Brad Ollis für eine Weile eingesprungen, obwohl er zu der Zeit selbst eine Band zusammenstellen wollte. Für ihn hat sich der Aushilfsjob bezahlt gemacht Außer diesem gibt’s aber doch .eine Heerschar versierter anderer Gitarristen, die man auf Dauer hätte engagieren können, „Selbstverständlich habe ich jeden erreichbaren Kandidaten angerufen. Darunter solche Größen wie Gary Moore und Michael Sehender Aber die waren zu sehr mit ihren eigenen Bands beschäftigt Schließlich habe ich mich für zwei talentierte, noch unbekannte Leute entschieden. Die sind im Gegensatz zu den Stars noch hungrig, wollen kämpfen und einmal besser sein als die Berühmten, Sogenannte Superstars stören die Band nur in ihrer Entwicklung. „
Das Thema Nachwuchs, Talente und Live-Konzert nimm! Ozzy zum Anlaß, sich von seinen britischen Kollegen mit einem kräftigen Seitenhieb zu verabschieden, „Echte Musiker, die mit Leib und Seele bei der Sache sind, schrecken vor keiner Anstrengung zurück Diese Erkenntnis scheint sich unter vielen engü sehen Musikern noch nicht herumgesprochen zu haben, anders kann ich mir deren weitverbrei tete Faulheit nicht erklären Erfolg ja, Geld auch, möglichst die ganz schnelle Mark, aber ohne sich voll dafür einzusetzen Das ist ein gefährlicher Irrtum. Jackey und Don z. B. üben Tag für Tag, das ist ihr Job Mich interessiert vor allem die Qualität einer Show Wenn ich ehrlich sein soll Von fünf Auftritten ist im Durchschnitt einer däneben, einer schlecht, einer gut, einer beinahe sehi gut und einer überragend. „
Unter welche Kategorie die nächste LP fällt, die den Titel BARK AT THE MOON tragen soll, bleibt abzuwarten.