Oliver Kube


über Running Wild "Gates To Purgatory" (1984)

Für die meisten Musikgenres waren die mittleren 80er eine gruselige Zeit. Nicht (oder, andersherum: ganz besonders] für den Heavy Metal, vor allem für die junge deutsche Szene. In der ganzen Bundesrepublik gaben aufregende neue Combos wie Helloween, Steeler, Grave Digger, Kreator, Sinner, Sodom und Destruction ihre von derausktingenden NWOBHM INewWave of British Heavy Metal) inspirierten Debüts. Ganz vorn mit dabei waren auch Running Wild mit ihrem Debüt Gates to purgatorv. Drei Jahre und zwei Platten später ging Frontmann les folgt eines der gigantischsten Pseudonyme der Musikgeschichte! Rock’n’Rolf mit dem unsäglichen UNDER JOLLY ROSER-Album Outfitmäßig unter die Piraten. Seitdem bringen die Herren ein wenig Clownerie in die traditionelle Faschingsmuffel-Zentrale Hamburg, während ihre Scheiben musikalisch – sogar gemessen an Metal-Standards – immer einfältiger wurden. Aber 1984 schauten, Running Wild im Leder-, Nieten- und Ketten-Dress nicht‘ nur wie die kleinen Neffen von, Judas Priester Rob Haiford aus, sie klangen auch noch so. Dank rasend schneller Headbanger-Hymnen wie „Victim Of States Power“, „Adrian S.O.S. und „Diabolic Force“ plus einer für damalige Budgets beeindruckend kraftvollen Produktion ging es mit dieser LP in Mutter Kubes Wohnzimmer nach Schulschluss mächtig rund. Was diese Typen obendrein so sympathisch machte, war, dass sie trotz ihres erheblichen Altersvorsprungs offenbar auf dem selben Englisch-Stand waren wie meine Achtklässler-Wenigkeit, it Motten vom Schlaie „Paint in subways, int in buses / with your Edding big black pontagrams“ konnte ich mich als von Venom und layer infizierter Wochenend-Okkultist zudem bestens identifizieren.

Mittlerweile sind die wilden Renner längst zur Lachnummer verkommen, dennoch – oder gerade deswegen? – macht es großen Spaß, alle paar Jahre dieses Juwel zu entstauben. Nach dem Genuss fühle ich mich immer bemüßigt, meinem jüngeren Bruder davon zu erzählen, der damals mit mir zusammen das Haupthaar schüttelte. Dann amüsieren wir uns köstlich, während wir über die“.alten Zeiten“ fachsimpeln. Wie allerdings die Autogramme auf das Cover der garantiert erst seit Anfang der 90er meine abgenudelle Vinylplatte ersetzenden CD gekommen sind, daran haben wir beide beim besten Willen keinerlei Erinnerung.