Novizen in der Provinz: Hard-Fi
Richard Archer und Kollegen lassen sich auch fern der englischen Heimat ihre Freude über den Durchbruch daheim nicht vermiesen.
Es ist ein besonderer Tag für die Band, da darf man die brandheißen Nachrichten aus dem Vereinigten Königreich schon mal ein bißchen als Selbstpromotion per Megaphon von der Bühne donnern lassen: „We just went number one in the UK“, trötet Richard Archer ins Publikum. „Our entire UK tour sold out in twenty minutes.“ Eindrucksvoll, was da im Mutterland des Quartetts abgeht. Fast zu eindrucksvoll – wer an diesem Abend vor Konzertbeginn im Zuschauerraum steht, mag kaum glauben, daß in wenigen Minuten einer der heißesten neuen Acts des Alten Europa die Bühne betreten wird.
Denn hier vor Ort ist von Hype und Hysterie noch nichts zu spüren: Warum bitteschön ist dieser ohnehin kleine Saal zur Hälfte leer? Und warum – mal abgesehen von den Stonern in der Vorderreihe – tanzt hier niemand? Moment. Kurze Besinnung: Erstmal, wo genau sind wir hier? „Hier“ ist eine Art amerikanischer Saloon auf einer Landstraße außerhalb von Sacramento in Kalifornien, also in unmittelbarer Nähe eineT Stadt, die einzig als Schwarzenegger-Residenz auffällt und weitgehend charmefrei vorsieh hinschnarcht. Der Laden selbst – ungünstig zwischen einem Pick-up-Truck-Händler und einer LKW-Vermietung plaziert – hat soviel Ambiente wie ein Truckstop, und irgendwie beschleicht einen das Gefühl, daß übers Jahr nicht allzu viele Charttopper hier einkehren. Umso besser, denn wie war das nochmal mit den Beatles, als sie noch nicht furchtbar bekannt waren und einen kleinen Club in Hamburg entzückten? Und wir sollten auch nicht vergessen, daß Stars Of CCTV, das in Europa gefeierte Debüt von Hard-Fi, in den USA noch gar nicht offiziell veröffentlicht wurde und insofern auch kaum Airplay bekam. Und ohnehin werden in der nordkalifornischen Semi-Prärie britische Pophelden zunächst mal skeptisch beäugt. Soeben wurden die Kollegen vom Opening Act Athlete, die einen sensiblen Akustikset anstimmten, ausgebuht. Ihr Sound war wohl zu soft für manchen Kaltduscher hier.
Dann gehen die Saallichter aus, blaue Leuchter und Rauch an und eine schwermütige, weitschwingende Melodie, die an Filmsoundtracks erinnert, schlüpft in den Raum. Elektronisch vom Laptop abgespielt, gewinnt sie an Intensität und geht nahtlos in das flotte „Middle Eastern Holiday“ über. Damit legen Richard Archer und Co. gleich los. Mit seinem hübschen Gesicht, dem großem Mund und einem leicht dämonischen Lächeln erinnert Archer an einen Thearerschauspieler und wirkt auch ein wenig so, als trüge er eine Maske. Nach dem ebenso schnell galoppierenden „Gotta Reason“ schalten Hard-Fi einen Gang herunter ins gitarrenschwere „Unnecessary Trouble“, um dann in die großartige Hymne „Better Do Better“ überzugleiten. Die Songs klingen abgespeckter als auf der Platte, verlieren aber nichts von ihrer Dynamik oder Ohrwurmqualität. Richard ist für Pop-Verhältnisse ein wirklich potenter Vokalist und hält in seiner Performance auch nichts zurück. Er nutzt jeden Quadratzentimeter der kleinen Bühne voll aus und reicht immer wieder so weit ins eher passive Publikum hinein, daß man Angst um sein Gleichgewicht bekommt. Die Gitarre von Ross Philips geht leider in der Live-Melange etwas unter, häufig kniet er beim Versuch, den Klang seiner Gibson zu verfeinern, vor seinen Pedalen. Dafür steht heute eine Melodica im Mittelpunkt; was normalerweise eher als Zwischendurch-Instrument durchgeht, überzeugt in Archers Händen als durchaus tragfähiger Klangerzeuger.
„Tied Up Too Tight“ wird gefolgt von einem Cover von „Seven Nation Army“ – die Hymne der WhiteStripes richten Hard-Fi fein dub-lastig u. Auch der Radiohit „Cash Machine“ fehlt natürlich nicht in der Playlist. Standardgemäß gibt es zwei Zugaben: den Titelsong des Albums, Stars Of CCTV, eine humorvolle Persiflage der Celebrity- und TV-Reality-„Kultur“. Und die Ode an alle, deren dröge Arbeitswoche einzig einen Countdown zum Wochenende darstellt: „Living For The Weekend.“
Es ist eine wirklich gute Show: großartige Songs und eine tolle, unterhaltsame Bühnen-Performance, die hie und da vielleicht: ein wenig zu perfekt sitzt. Die Gebärden, die Sprüche, die andernorts, das ahnt man, wohl Wort für Wort wiederholt werden-und die Pointen zwischen den Songs: „How many of you have gotten your girlfriend accidentally pregnant?“ will Richard Archer irgendwann im Laufe des Konzerts wissen. Als nur wenige Hände sich zaghaft heben, spottet er: „You are a bunch of liars. I’m sure there are more than this.“ Wie viele auch immer: Wir sind auf jeden Fall sicher, daß wir noch mehr von dieser Band sehen werden; auch hier auf der anderen Seite des großen Teiches.
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