Nicht nur dank The Cure ist das EXIT-Festival 2019 eine Reise wert
Auf einer Festung in Serbien findet alljährlich ein Festival statt, das Genres auf fast schon humoristische Art und Weise vermischt. Und bei dem jeder Sonnenaufgang dank einer besonderen Bühne zum Glücksmoment wird.
Mit The Cure hat das serbische EXIT-Festival seinen ersten Headliner für den Jahrgang 2019 bestätigt. Kein Wunder, denn The Cure spielen im kommenden Sommer einige Festival-Termine (zum Beispiel auf dem Hurricane, aber wie oft will man da denn noch hin?) und die Veranstalter des EXIT haben einen Hang für erfahrene Granden, die dem zumeist jungen Publikum zeigen sollen, wie Musik vor EDM- und Techno-Hype geklungen hat.
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Viertägiger Rausch
Elektronisches ist mittlerweile das Kerngeschäft des EXIT, das seit fast zwei Jahrzehnten in Novi Sad, der europäischen Kulturhauptstadt 2021, stattfindet. Auf der jahrhundertealten Festung Petrovaradin an der Donau haben sich die Prioritäten in den vergangenen Jahren immer mehr weg von Bands und hin zu DJs verschoben.Ist das schlimm? Keineswegs. Das EXIT präsentierte sich zuletzt, im Juli 2018, als viertätiger Rausch, der den eigentlich unerträglichen Begriff „Genre-Mix“ auf die Spitze trieb und vor allem mit einer einzigartigen Bühne begeisterte.
Jeweils 70.000 Zuschauer strömen an vier Tagen pünktlich zum Einbruch der Nacht aus der hübschen Stadt im Norden Serbiens über eine der Donaubrücken in die Festung, die in Gänze zum Festival-Areal umfunktioniert wird. In den Gassen am höchsten Punkt der Festung spielen auf kleinere Floors Metalbands und Reggea-Acts, im Planetarium wird ausgekatert und auf den Aussichtspunkten darüber gegrübelt, warum man eigentlich noch nie zuvor in Serbien war.
Die große Party aber, der Rummelbums und der Rave, findet am Fuße der Petrovaradin statt. The Cure werden 2019 auf einer für mehr als 50.000 Menschen ausgelegten Bühne spielen, auf der sich 2018 die bunt zusammengewürfelten Headliner David Guetta, Migos und Grace Jones austobten. Allein diese drei Namen zeigen, wie sehr die Veranstalter auf ein homogenes Line-up setzen. Nämlich überhaupt nicht: Das Publikum will Kuriositäten sehen, mag das EXIT speziell für die ausgefallenen Headliner-Entscheidungen.
So wurde Grace Jones zuletzt zum bizarren Highlight des Festivals. Mit einem Beutel voller Kokain („Sorry EXIT, i did too many drugs“) und einem männliche Pole-Dancer bewaffnet, kam die Diva 2018 erst 40 Minuten zu spät auf die Main Stage und überzog dann für 20 Minuten ihren Auftritt. Weil sie ihren Megahit „Slave to the Rhythm“ ins endlose streckte, indem sie circa zehn Minuten lang einen Hula-Hoop-Reifen um die Hüften kreisen ließ und dabei mantraesk und geistesabwesend den Refrain wiederholte.
Einmalige Kulisse, harter Rhythmus
Woanders wäre Jones für die Einlage vielleicht ausgebuht worden, beim EXIT sind die Zuschauer aber mit einer gewissen Lust am außergewöhnlichen, gern auch grotesken bewaffnet. Außer beim Auftritt von Migos, der war nämlich schlichtweg schlecht und wurde dementsprechend quittiert.
Die nominellen Headliner sind beim EXIT, und hier unterscheidet sich das Festival radikal von anderen, aber nicht der Dreh- und Angelpunkt. Genauso wichtig sind die zwei Electro-Stages, die sich an der Außenwand der Festung befinden. Auf dem No-Sleep-Floor fühlt man sich mitten in Serbien wie auf einem Berliner Club, zuletzt legten dort Helena Hauff, DJ Tennis und etliche DJs auf, die aus dem Dunstkreis der Fabric London oder dem Arma 17 aus Moskau stammen.
The Cure dürften sich insgeheim ein bisschen über ihren Headliner-Spot ärgern. Denn das Prunkstück des EXIT ist die zweitgrößte Stage auf der Festung. Die sogenannte Dance Arena, die wie in den Graben an der Außenwand der Petrovaradin gemeißelt scheint. Hier spielen (leider) ausschließlich DJs vor einer der beeindruckendsten Kulissen des europäischen Festival-Kosmos. In der Nacht wird die Masse im Burggraben angeheizt, pünktlich um 6 Uhr stehen dann Genre-Bestverdiener wie Solomun, Maceo Plex und Nina Kravitz am Mischpult. Das Ziel: der gemeinsame Höhepunkt zum Sonnenaufgang über Novi Sad und der einmaligen Bühne.Das EXIT hat folglich einen sehr eigenen Rhythmus. Die Headliner eröffnen nicht den Festivaltag, sondern gegen Mitternacht die Festivalnacht. Danach feiert Hartgesottene bis in den Vormittag, schleichen irgendwann zurück in die Stadt und hoffen darauf, rechtzeitig wieder fit zu sein und so viel wie möglich von der Idylle Novi Sads aufzusaugen, bevor es wieder in den Burggraben geht. Ergo: Das EXIT ist in allen Belangen ein wenig verschroben, aber gerade dadurch auch lohnenswert. Vor allem für Leute, die Musik gern mit Städtetrips verbinden und die Wald- und Wiesen-Festivals dieser Welt schlichtweg nicht mehr sehen können.
Das EXIT Festival findet vom 4. Juli bis 7. Juli 2019 in Novi Sad statt. Via Flug über Belgrad ist die Stadt gut und kostengünstig zu erreichen.