New Amerykah Part One von Erykah Badu
Die gestreckte Faust ist eine Grußgeste-das Ballen aller verfügbaren Finger soll die Einheit auch mit schwächeren Mitgliedern einer Gemeinschaft verdeutlichen -, die seit jeher als Solidaritätsbekundung quer durch das Spektrum tendenziell linker Bewegungen Verwendung fand und findet, von Pazifisten über Sozialaktivisten,Anti-Faschisten, Sozialisten, Gewerkschaftlern, Freiheitskämpfern wie den Black Panthers bis hin zur nordirischen IRA.
Das Artwork stammtvon Emek Golan (I., hat bereits Plakate für Radiohead, QOTSA, Tool u.a. entworfen). Der unter dem von Henry Rollins geprägten Ehrentitel „Der Postermacher für den denkenden Menschen“ bekannt gewordene Sohn zweier 6os-Künstler hat bereits ein, wie er es ausdrückt, „schmieriges und oftmals auch tragisches Leben“ hinter sich. So wurde er als Kind zur Arbeit in einer Plutoniumfabrik gezwungen. Dort widerfuhr ihm das rare Glück, ein Stipendium an einer Kunsthochschule zu ergattern. Um dem Schicksal seiner Kameraden, die „nach ihrem Abschluss allesamt Grafikergangster wurden“, zu entkommen, warf er sich in die Arme der Rock&Roll-Branche. Wir glauben ihm nur die eine Hälfte und amüsieren uns über die andere. Die Namensbestandteile des gebürtigen Israelis stellen überdies ein Oxymoron dar: „Emek“ bedeutet auf Hebräisch „Tal“, und „Golan“ bezieht sich auf die 1967 von Israel besetzten, ursprünglich syrischen Golanhöhen.
Der Ausschnitt in Erykahs Haarpracht, in dem zwei Gesetzeshüter ihren gesetzeshütenden Auftrag vergessen haben und auf einen wehrlosen Zivilisten einprügeln, geht zwar primär auf den brutalen Überfall von vier weißen Polizisten auf den schwarzen Taxifahrer Rodney King 1991 zurück. Doch Emek will dieses Piktogramm viel mehr als warnendes Symbol für „das allgemeine Klima in einem Polizeistaat“ verstanden wissen. „Ich weiß, wovon ich spreche“, sagt er, „ich habe so etwas schon mit meinen eigenen Augen gesehen.“
Wer Part One sagt, muss auch Part Two sagen. Erykah Badu geht sogar so weit, auch schon Part Three anzukündigen. Während NEW AMERYKAH PART TWO (RETURN of the ankh) bereits im Juli folgen soll, ist das noch namenlose Finale der Trilogie etwas vager „für 2009“ geplant. Der Grund hinter diesem für Badu’sche Verhältnisse regelrecht rasanten Veröffentlichungsrhythmus ist ein denkbar simpler: „Ich bin einfach mal nicht schwanger“, sagt die zweifache Mutter. Und wer sich nun schon mehrere Zeilen lang wundert, was eigentlich „Ankh“— sein soll, dem sei ein Blick auf Erykahs Stirn empfohlen. Dort prangt so etwas: eine ägyptische Hieroglyphe für „das Leben“.
Der Einfluss Badus auf die Gestaltung ihres Booklets war ein geringer. Mit einem kurzen Telefonanruf, in dem die 37-Jährige knapp das Konzept ihres Albums umriss. war alles getan-ein Verständnis von Teamarbeit, das Künstler Emek sehr schätzt: „Ich konnte durch diese Freiheit so tief, wie ich wollte, alle Winkel meiner Vorstellungskraft durchsuchen und sah praktisch nur noch zu, was währenddessen so alles auf meinen Skizzenblock klatschte“, sagt er und lobt: „Mit Erykah zu arbeiten, war cool, weil sie – obwohl sie selbst so multitalentiert, uoll guter Ideen und sehr praktisch denkend ist-die Arbeitsweisen anderer respektiert.“ Nachdem der ebenfalls 37-jährige Golan die Platte gehört hatte, entwarf er zu jedem der Stücke ein individuelles Bild und verzierte damit die Linernotes. Auf dem Cover sind die Themen der einzelnen Songs (Krieg, Drogen, Liebe, Tod, Familie, Freunde) symbolisch in Erykahs Afro wiedergegeben. Emek wollte Erykah „hart, aber auch verletzlich“ darstellen. Sie sollte „durch ihre Fäuste wie eine Kriegerin“ wirken, aber „durch ihre Augen und Lippen auch wie ein Heilerin“. Die Zeichentechnik beinhaltete zwei Arbeitsschritte: Man vermenge schwarze Tinte und weißes Papier zu einem hübschen S/W-Bild und coloriere dieses dann per Photoshop.
Auch Hurrikan Katrina ist verewigt. Das Gebäude, auf dem hier ein Schutzsuchender ein „Help!?“-Schild hochhält, ist typisch für New Orleans.
„Erykah hat während der Katastrophe vielen Bedürftigen geholfen, also wollte ich das Thema hier unbedingt einarbeiten“, sagt Emek, „auch um daraufhinzuweisen, dass viele Leute immer noch unter den Verwüstungen leiden und von Politikern ignoriert werden.“
Badu nimmt in dem Song „Soldier“ („baptized when the levee broke“) auch Bezug auf das Desaster. „When the Levees Broke“ ist übrigens auch Titel einer Spike-Lee-Doku aus dem Jahr 2006 über das Katrina-Drama.
Die Kamera zeigt auf Erykah und ignoriert so das Leiden des Katrina-Opfers.“Die Medien interessieren sich einfach mehr für das Privatleben von Stars als für,echte‘ Themen“, sagt Emek und orakelt weiter:
„Durch diese mediale Präsenz kann Erykah aber auch auf Ungerechtigkeiten in der Welt hinweisen. Oder ist diese Kamera doch nur ein Symbol für staatliche Überwachung, die uns alle betrifft? Oder oder oder?“
Das Wortspiel im Titel: so weit, so gewitzt. Aber warum eigentlich „Erykah“, wenn die Sängerin doch auf Erica Abi Wright getauft wurde? Bereits in Jugendtagen entschied sie sich für die neue Schreibweise ihres Vornamens, da sie a) davon ausging, dass „Erica“ ihr Sklavenname sei und b)“kah“ auf Arabisch „kann keine Fehlermachen bedeutet. Gerüchte, ihre neue Platte werde den Titel kahba tragen (Badu hatte mit dem hervorgehobenen Mittelteil ihres Namens auf Messageboards in Online-Communities Werbung für das Album gemacht), hatte Badu stets dementiert… zumindest spätestens ab dem Zeitpunkt, als sie ein User darauf hinwies.dass man mit „kahba“ im arabischen Sprachraum Prostituierte beschimpft.
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