Neville Brothers – Yellow Moon
Man hatte sie fast abgeschrieben, nach Ihren Mainstream-Machwerk UPTOWN. Doch Jetzt feiern die vier Brüder Wiederauferstehung und liefern ihr bestes, stilistisch mutigstes Album überhaupt ab.
Art, Aaron, Charles und Cyril knüpfen hier wieder an ihr grandioses 81 er Werk FIYO ON THE BAYOU an, das dereinst den New Orleans-Rhythm & Blues der 81er-Jahre definiert hatte und vom zweifellos kompetenten Keith Richards zum „Album des Jahres“ gekürt wurde. Tracks wie „Fire And Brimstone“, „Wild Indians“ oder „Voodoo“ taumeln im typischen synkopierten Beat ihrer Heimatstadt.
Doch YELLOW MOON geht weit über eine bloße Rückbesinnung auf üppig schlagende Wurzeln hinaus. Eine zentrale Rolle kommt hierbei „Sisters Rosa“ zu, eine kämpferische, Rap-inspirierte Ode an Rosa Parks, die 1955 mit ihrer Weigerung, einen „Whites Only“-Busplatz freizumachen, als Katalysator der schwarzen Bürgerrechtsbewegung wirkte. In diesem Kontext machen sich die Neuauflagen von Sam Cookes „A Change Is Gonna Come“ oder Dylans „God On Our Side“ ganz vorzüglich, zumal beide wohl noch nie eindringlicher interpretiert wurden als hiervon „Goldkehlchen“ Aaron, der nicht minder in „Hollis Brown“ glänzt — ein suggestiver Talking-Blues mit geradezu kinematographischen Qualitäten: Wie eine präzise geführte Kamera arbeitet die Slide-Gitarre bedrohliche Untertöne heraus.
Der Nitty Gritty Dirt Band-Klassiker „Will The Circle Be Unbroken“ erfährt durch die Nevilles ebenfalls eine erfrischende Umarbeitung, die schließlich auch ihrem spirituellen Vermächtnis nachspüren, wenn sie mit „Blood“ die Brücke nach Afrika schlagen oder im Instrumental „Spirit Call“ indianische Ursprünge aufleben lassen. Eine echte Überraschung stellt die Produzentenwahl dar — doch Daniel Lanois (Peter Gabriel, U 2) löst seine Aufgabe erstaunlich gut.
Der kanadische Produzent, ein Vertreter des sogenannten „ambient recordings“, wählte als Aufnahmeort nicht etwa ein herkömmliches Studio, sondern zog mit Gruppe und Equipment in ein leerstehendes Apartmenthaus. Die Flucht vor der digitalen Sterilität erwies sich im Falle der Nevilles als Glücksfall: Selten wurde räumliche Weite und atmosphärische Dichte so perfekt kombiniert, wie hier besonders in den stark vokalorientierten Titeln.
Insgesamt schlägt YELLOW MOON mit seinem Spannungsfeld aus Traditionspflege und Gegenwartsbewußtsein eine interessante Parallele zum letzten Womack & Womack-Album CONSCIENCE: Offensichtlich schaffen es nur wenige Musiker, aus dem Blick zurück auch eine zukunftsträchtige Perspektive zu entwickeln. Ob YELLOW MOON (Spielzeit: über 50 Minuten) auch ähnlich erfolgreich sein wird? Schön wär’s ja schon… (jfj
DISCOCRAPHIE
WILD TCHOUPITOULAS (76) NEVILLE BROTHERS (78) FIYO ON THE BAYOU (81) AARON NEVILLE – SOLO (85) NEVULEIZATION (86) UPTOWN (87) YELLOW MOON (89)
Cyrll Neunte über die LP * „Slster Rosa“
Er war gerade mal sieben Jahre jung, doch der Tag, da Miss Rosa Parks sich weigerte, ihren eigentlich nur für Weiße vorgesehenen Busplatz aufzugeben, liegt noch heute so klar vor Cyrill Neville, „als wenn es gestern gewesen wäre. Sie brachten es in den Nochrichten — und die Worte meiner Mutter waren: .Danke, Miss Rosa.““
Rassismus lernte Cyril in New Orleans schon früh kennen. “ ,Nur Kr Schwane‘ und, Nur für Weiße‘ — das gehörte zu den ersten Worten, die ich lesen konnte“. „Inzwischen gibt es eine neue Generation afroamerikanischer Kinder“, sagt Cyril, „die jetzt heranwächst und Überhauptnichts über ihre jüngere oder ältere Geschichte weiß. Das ist einer der Gründe, warum ich ,Sister Rosa‘ schrieb. Und ich habe es ganz bewußt als Rap geschrieben, weil meine Töchter zwar ihre Hausaufgaben vergessen — aber ganz gewiß nicht diese Rap-Songs.“
Cyril Neville hofft, daß „Sister Rosa“ die Erinnerung an die Bürgerrechtsbewegung der 60er-Jahre in die Zukunft tragen kann. „Das Bewußtsein, daß diese Bewegung für die 90er wiederbelebt werden muß, wächst ständig.“
Wie zu hären ist, erfährt „Sister Rosa“ einen Re-Mix durch die Public Enemy-Leute Chuck D. und Hank Shocklee.
30 JAHRE RHYTHM & BLUES AUS NEW ORLEANS
In ihrer zentralen Stellung nur vergleichbar mit anderen Größen wie Piano-Professor Longhairoder Produzent Allen Toussaint, haben die Neville Brothers über drei Dekaden lang die klingende Geschichte einer Stadt mitgeschrieben, die dank ihrer Lage und Bevölkerungsmixtur stets besonders schöne musikalische Blüten getrieben hat: New Orleans. Art Neville hatte bereits in den 50er Jahren etliche Hits und schrieb den „Mardi Gras Mambo“, der noch heute zum festen Repertoire des alljährlichen Carnivol-Treibens in der „Crescent City“ gehört. Später gründete er The Meters, ein Quartett, das den Sound des New Orleans-R & B genauso entscheidend prägte wie es Booker T. & The MG’s für Memphis und den STAX-Soul taten. Aaron Nevilles erster Hit hieß 1966 „Teil It Like It Is“, während Bruder Charles als Saxophonist und Perkussionist mit Blues-Künstlern wie Bobby „Blue“ Bland oder B.B. King tourte. Cyril schließlich schloß sich in den 70er-Jahren den Meters an, als sie u.a. im Vorprogramm einer Stones-US-Tour auch ins nationale Rampenlicht rückten. Erst 1977 gingen Art, Aaron, Charles und Cyril endgültig gemeinsame Wege als The Neville Brothere, die heute gleichsam Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer einzigartigen musikalischen Nische darstellen, (jfj