Neil Young: Nürnberg, Rock im Park
Eine Fehlbesetzung für die vielen Reizüberflutungsopfer, eine gewisse Gesundung hingegen für den Meister, ausgerechnet an der Stätte der Spektakel.
Von den Bühnen, die die Welt bedeuten, herunter ist von eben dieser – der Welt oft nicht mehr viel zu sehen. Lichtdurchflutet in Gleißendes blinzelnd darf sich bei grauen Massen für Zufriedenheitsbekundungen bedanken, wen es on stage verschlagen hat. Vielleicht konzertiert Neil Young deshalb so, als gäbe es uns gar nicht. Die Schulter kalt, die Augen verschlossen, der ungelenke Tanz des sich in höhere Sphären wippenden Schamanen der Fünfsaitigen. Auf diese Weise bekommt der Altmeister gar nicht mit, wie er zum Finale des Festivals mal eben ein Drittel des Stadions leer spielt.
Eben noch versöhnt mit den Umständen eines solchen durch Reizüberflutung gekennzeichneten Drei-Tage-Reigens durch ein Dutzend entblößter Oberweiten, deren entrückte Eigentümerinnen sie gerne für die Leinwandübertragung freilegen, zieht der junge Rockspektakel-Purist bereits nach den ersten Takten von „When You Dance“ fluchend von dannen. „Der ist unter aller Sau!“, schimpft ein Baseballkappen-Träger, der Respekt und Jugend offensichtlich für unvereinbar hält, und deutet auf Young, der ja aber nichts sieht und nichts hört und so unbeeindruckt noch tiefer versinkt in sein episches, freies Leadgitarren-Gegniedel, welches die durchaus nicht nur greisen Fans derweil enthusiastisch feiern. Hat sich erst einmal über die Seiteneingänge die Spreu vom Weizen getrennt, herrscht endlich rundum Zufriedenheit ob der pumperlgesunden Form, in der sich der Meister und sein familiäres Gefolge mit Booker T. und dem MG „Duck“, „Poncho“ Sampredo von Crazy Horse, Schlagzeuger Steve Potts sowie Schwester Astrid und Gattin Pegi Young im Chor befinden. Natürlich hatte Young mit alten verrückten Pferden im Gespann schon mal mehr Feuer im Hintern. Die getragenen Jams seiner jüngsten Routinetat „Are You Passionate?“ lösen im Stadion keine Euphorie aus, Klassiker wie „Cortez The Killer“, „Powderfinger“ oder „Down By The River“ (weit jenseits der 20-Minuten-Grenze) gibt die Band so ausladend wie ausgeglichen wieder. Ausgerechnet „Let’s Roll“, die in ihrem Holzhammer-Patriotismus fragwürdige und ja auch musikalisch arg formatrockende Hymne auf die wehrhaften Entführungsopfer des United-Flugs 93 am 11. September, bekommt in diesem Repertoire den Bonusapplaus für Entfesseltes. Doch Schluss mit dem Detailgemaule! Herr Kauzig präsentierte sich in der Vergangenheit schließlich schon weitaus kauziger, druckund lusttoser, richtig alt. Anders ausgerechnet bei diesem „Let’s Roll“ der Unterhaltungs-Gigantomanie, wo er dank Ausnahmegenehmigung sogar ohne Blick auf die Uhr rocken darf.
Dabei hätten wir im Vorfeld sicherlich noch gemahnt: „Geh da besser nicht hin, das ist nichts für dich!“ Wüssten wir nicht, dass sich Neil Young sowieso nichts sagen lässt.
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